Das Schwert des Sehers
ihre Blöße zu bedecken.
Dauras steckte das Schwert ein und wies auf die Tür, die er aufgebrochen hatte. »Fass mit an!«
»Was ist mit deiner Linken?«, fragte Meris.
Dauras zuckte die Achseln. »Will grad nicht zupacken.«
Er hob die Tür an, und Meris nahm sie auf der anderen Seite. Sie liefen vom Haus fort, die Tür als Schild auf dem Rücken. Bleikugeln schlugen mit dumpfem Laut ein. Dauras fühlte, wie das Holz bebte, die Bretter krachten und splitterten.
In dreißig Schritt Entfernung suchten sie Deckung hinter einem Baum und lehnten die Tür dagegen.
»Ist es dunkel genug?«, fragte Dauras.
»Was?« Meris bewegte prüfend ihre Schulter. Sie wirkte abwesend.
»Ich kann nicht einschätzen, wie weit das Licht der Lampen reicht. Können wir uns unbemerkt davonschleichen und diese verdammte Tür stehen lassen?«
»Wir können es versuchen«, erwiderte Meris. »Wir laufen in die Morgenröte hinein, doch da sind ein paar Büsche, die uns Deckung bieten.«
Sie krochen weiter.
»Wo hast du Prinzessin Aruda gelassen?«, zischte Meris ihm zu.
»Oh. Ich hoffe … da!« Dauras ließ seine Sinne ausgreifen, und im Norden, an der äußersten Grenze seiner Wahrnehmung, fühlte er etwas. Es musste einfach die Prinzessin mit den Pferden sein.
Sie richteten sich auf und rannten los.
Aruda wartete mit den Pferden genau dort, wo sie es verabredet hatten. Sie stand in einer Senke, sodass sie vom Gasthof aus nicht zu sehen war, und als Dauras und Meris aus dem Gebüsch hervortraten, erschrak sie.
»Meris!«, rief sie dann erleichtert. »Er hat dich gerettet.«
Meris verzog das Gesicht. »Ich bin allein zurechtgekommen. Er hat Euch hier zurückgelassen!«
»Genau genommen«, wandte Dauras ein, »habe ich sie nicht hier zurückgelassen. Wir haben uns zwei Meilen westlich voneinander getrennt.«
»Bist du etwa stolz darauf?«, fuhr Meris ihn an.
»Nun, es ist alles gut gegangen.«
Meris biss die Zähne aufeinander. »Damit es auch so bleibt, sollten wir verschwinden. Wir reden später darüber.«
Sie führten die Pferde am Zügel und nutzten jede Deckung. Dauras spürte keine Verfolger, und er hoffte, dass diese nicht wussten, in welche Richtung sie unterwegs waren. Als sie ein paar Hügel und Waldstücke zwischen sich und das Gasthaus gebracht hatten, galoppierten sie los.
»Wohin jetzt?«, fragte Aruda.
»Wir vergessen die Straße«, gab Dauras zurück. »Wir reiten nach Norden.«
Sie ritten zwei Stunden, bevor sie eine Rast einlegten. Von ihren Verfolgern war nichts zu sehen.
»Hast du sie besiegt?« Aruda blickte Dauras hoffnungsvoll an. »Vielleicht kommen sie uns nicht mehr nach.«
»Und wenn schon«, brummte Dauras. »Solange sie uns nicht auflauern können, sind sie keine Gefahr. Die Steinewerfer können nicht vom Rücken eines Pferdes aus schießen … glaube ich.«
»Schön wär’s«, sagte Meris. »Du hättest nicht zurückkommen dürfen.«
»Hätte ich dich hängen lassen sollen?«, fragte Dauras.
»Da, wo ich herkomme, kümmert sich ein Leibwächter zuallererst um seinen Schützling.«
Dauras zuckte die Achseln. »Als ich genau das getan und deinen Soldaten nicht geholfen habe, war’s dir auch nicht recht. Ich glaube, du streitest einfach nur gern.«
»Oh …«, sagte Meris verblüfft.
»Und was die Pflichten als Leibwächter angeht«, legte Dauras nach. »Ich glaube, du hast die Börse verloren, aus der du mich bezahlen wolltest. Ich kann also tun und lassen, was mir als unbezahltem Wanderer so in den Sinn kommt.«
Meris und Aruda starrten ihn an.
»Willst du uns jetzt … allein lassen?«, fragte die Prinzessin.
»Da hatte dieser Söldner im Gasthaus wohl doch recht«, stellte Meris fest. »Es dreht sich bei allen nur ums Geld. Von einem ehemaligen Priester des Schwertes hätte ich andere Werte erwartet.«
»Immer langsam«, knurrte Dauras. »Ich habe deine kostbare Prinzessin behütet, lange bevor ich dich mit deinem Geld getroffen habe. Ich sage nur, du hast mir nichts zu befehlen. Und ich hab dich bestimmt nicht zurückgeholt, weil du so eine nette Gesellschaft bist. Die Kleine hat mir in den Ohren gelegen, und ich wollte mir nicht den ganzen Weg zurück in die Hauptstadt ihr Gejammer anhören.«
»Dauras!«, rief Aruda empört. »Hör auf damit.« Sie wandte sich an Meris. »Hört auf zu streiten. Er wollte dich genauso wenig zurückgelassen wie ich. Dauras ist nicht so hartherzig, wie er immer tut.«
»Ich bin nur umgekehrt, um meinen Ruf zu verteidigen.«
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