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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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südlich gelegenen Flussübergänge, die wahre Prachtstraßen waren, zu beiden Seiten von mehrstöckigen Häusern gesäumt.
    Es war früh dunkel zu dieser Jahreszeit. Die hell erleuchteten Tore der Palaststadt lagen hinter Meris, die Lichter der Stadt auf der anderen Seite waren noch fern. An der dunkelsten Stelle hielt Meris inne. Sie legte die Hände um das eiserne Geländer und sah auf den Fluss hinab, der schwarz schimmernd unter dem schweren Nachthimmel strömte. Feine Regentropfen sprühten auf ihre Haut. Diener, die so spät noch unterwegs waren, und Händler und Edle mit Fackeln eilten an ihr vorüber auf dem Weg in die Stadt oder zurück zum Palast. Meris atmete die frische Luft tief ein, die über den Strom in die gewaltige Metropole wehte.
    Aruda wollte von ihr wissen, wem sie bei Hofe vertrauen konnte. Der alte Kaiser hatte sich darüber gewiss nie Gedanken gemacht. Er hatte einfach seine Befehle erteilt und erwartet, dass man sie befolgte. Er war kein Mann gewesen, der sich um die Launen seiner Untergebenen gesorgt hatte   – er war es, vor dessen Launen alle anderen zitterten! Wie konnte die junge Kaiserin erwarten, dass die Wölfe, die an einem solchen Hof groß geworden waren, ihr folgten, wenn sie auftrat wie ein besorgtes Mädchen?
    Andererseits   – der alte Kaiser war gestorben. Niemand wusste, wie. Vielleicht war das ein Hinweis darauf, dass er sich doch ein wenig mehr hätte sorgen sollen.
    Meris ging weiter und tauchte in das Gewimmel der Oststadt ein, die zu dieser Stunde noch gar nicht an Nachtruhe dachte. Am Ende der Brücke war der Markt genauso geschäftig wie am Morgen. Buden und Zelte und die Läden in den umliegenden Gebäuden waren hell erleuchtet. Es roch nach Gebäck und nach frischem Leder, nach Holz und Fleisch und Wein, Gewürzen und Parfüms und anderen Dingen, die nicht so angenehm waren.
    Am Rande des belebten Areals winkte sie einen Wagen heran, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Zum Platz der Vier Frauen«, sagte sie dem Fahrer.
    Der verzog das Gesicht. »Das kostet extra«, sagte er. »Im Voraus.«
    Sie zählte ihm die Münzen in die Hand und stieg ein. Die Räder polterten über das Pflaster, sie knirschten über schlechter befestigte Seitengassen. In den dunkleren Straßen trieb der Kutscher die Tiere an, und die Menschen, die im Weg standen, sprangen zur Seite.
    Am Ende einer Straße hielt er an. Stufen führten zu einem Platz hinab, zu dem man nicht mit dem Wagen hingelangen konnte. Eine eigentümliche Laterne brannte dort unten übereinem Brunnen, und schmale Gassen gingen sternförmig in alle Richtungen ab. Sie waren von farbigen, wenngleich trüben Lichtern erfüllt.
    In diesem Viertel lebten die Zauberer   – Wahrsager und Geisterbeschwörer, Thaumaturgen und Runenleser, Hexen und eine Handvoll Alchemisten.
    Meris ging an den Geschäften vorbei, die in schmalen hohen Häusern untergebracht waren, in zwei, drei, vier übereinanderliegenden Kammern, wobei im untersten Geschoss die Kunden empfangen wurden. Sie versuchte, die Schilder zu entziffern oder die Symbole zu deuten, mit denen manche ihr Gewerbe beschrieben.
    Sie kam nicht oft hierher.
    Die meisten dieser selbst ernannten Hexenmeister hielt sie für Scharlatane, und jene, die vielleicht doch etwas mehr von dem verstanden, was sie taten, waren eher eine Gefahr für sich selbst und die Öffentlichkeit und keine nützlichen Helfer.
    Dennoch, heute wollte sie einmal ihr Glück versuchen.
    Sie blieb vor dem Geschäft einer Geomantin stehen, die eine offene Ladenfront hatte. Ein Vordach ragte in die Straße, das sich offenbar herunterklappen ließ und mit dem die Ladenfront verschlossen werden konnte. Der Raum dahinter war kaum größer als eine Kammer. Die Besitzerin saß im hinteren Teil. Das Licht einer Laterne, die unter dem Vordach baumelte, fiel auf ein Kleid aus bunten Stoffflicken, aber das Gesicht der Geomantin lag im Schatten. Eine große Kiste mit Sand stand vor den Füßen der Frau.
    Meris trat ein.
    »Willkommen, mein Kind.« Meris konnte aus der Stimme nicht auf das Alter der Frau schließen. Sie erahnte eine Bewegung, als würde die Geomantin den Kopf heben und sie genauer mustern. »Ich nehme an, du bist nicht gekommen, um zu erfahren, ob der Mann deiner Träume zu dir passt.Andererseits, wer weiß schon, was für ein Herz unter all den äußeren Hüllen schlägt.
    Meris lachte auf. »Ja«, sagte sie. »Wer weiß.«
    Sie nahm gegenüber der Geomantin Platz, auf dem Boden vor der Sandkiste.

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