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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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erst anfangen.«
    Der Page zuckte zusammen. »Der Erzkaplan hat sich selbst das Leben genommen«, stammelte er. »Mit Gift   … und er hat einen Brief hinterlassen.«
    »Wer schickt dich?«, fragte Dauras.
    »Bruder Iona«, antwortete der Page. »Der Kammerdiener des Herrn Kaplan. Er meinte, Ihr solltet als Erste davon erfahren, Majestät. Weil es ja der kaiserliche Kaplan war, und der Kammerdiener wusste nicht   …«
    Der Page verstummte, als hätte er schon zu viel gesagt.
    »Er hat richtig gehandelt.« Aruda sah Dauras an. »Komm«, befahl sie.
    Sie trat auf den Hof, so weit von allen Gebäuden fort, dass sie mit Dauras und dem Pagen allein war und sich kein Lauscher in der Nähe verstecken konnte. »Ich will, dass meine eigenen Leute diesen Tod untersuchen«, sagte sie dann. »Bevor irgendwer   … was auch immer.« Hilflos hob sie die Hände. »Ich will wissen, ob Bertin von Ebran wirklich freiwillig in den Tod gegangen ist. Und ich will wissen, was mit meinem Vater passiert ist.«
    »Warum interessiert Euch das?«, fragte Dauras überrascht. »Ich hatte nie den Eindruck, dass Ihr Eurem Vater eine Träne nachweinen würdet.«
    Der Page schaute Dauras mit schreckgeweiteten Augen an bei dieser Respektlosigkeit gegenüber dem toten Kaiser.
    »Ich kann mich hier nicht sicher fühlen, solange ich nicht Gewissheit habe«, erwiderte Aruda. »Zwei Tote im innersten Hof des Palastes! Ich muss wissen, was da passiert ist.«
    »Und wen wollt Ihr darauf ansetzen?«, fragte Dauras. »Ichhabe nicht den Eindruck, dass Ihr viele eigene Leute für solche Fälle habt.«
    »Ich kann denen vertrauen, die schon bewiesen haben, dass sie sich um mich sorgen«, sagte Aruda. »Du hast mich zurück in die Stadt gebracht. Gemeinsam mit der Botin Meris. Sie ist also die zweite, die ich gern an meiner Seite hätte.
    Sie sah den Pagen an. »Lass die Botin Meris holen. Aber schicke einen Boten, der nicht weiß, worum es geht   – dann können auch ihre Vorgesetzten nicht danach fragen. Ich will, dass sie mir direkt untersteht und mir allein Bericht erstattet. Sie wird herausfinden, warum in meinem Palast die Leute sterben.«

9.11.962 – HOROME
    M eris verließ die Gemächer der Kaiserin mit einer frisch gesiegelten Vollmacht in der Hand. Dauras begleitete sie bis zum Ausgang des kaiserlichen Traktes durch marmorgeflieste Räume und über lange, säulengestützte Wandelgänge. Sie kamen an Fenstern vorüber und blickten auf Innenhöfe mit Springbrunnen und Heckenlabyrinthen, die jetzt im Herbst trist und leblos wirkten.
    Ihr war unbehaglich zumute.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie sich am Hof eines Fürsten bewegte. Sie hatte sich in der Vergangenheit schon des Öfteren als Dame verkleidet und als geladener Gast auf Bällen getanzt. Sie hatte sich des Nachts in die Landsitze der Großen geschlichen, um Schriftstücke zu entwenden oder Botschaften zu überbringen, nachdrücklicher, als ein offizieller Kurier es konnte.
    Und doch, dieses Mal war es anders: Sie arbeitete nicht im Schatten, sondern im Licht, ausgestattet mit einem Rang und unter ihrem eigenen Namen, ohne Mittelsmänner direkt der Kaiserin unterstellt. Das klang nur dem ersten Anschein nach gut. In Wahrheit bedeutete es, dass sie auf sich allein gestellt war, ohne einen Hofrat und eine Behörde im Rücken, mit keiner anderen Autorität als jener, die sie aus einem Stück Papier ziehen konnte. Jeder, mit dem sie sprach, würde wissen, wer sie war und wo sie wohnte. Das machte sie selbst zu einem Objekt für Intrigen am Hofe, mit Akteuren, die sie nicht einzuschätzen wusste.
    Meris hatte ihr Erscheinungsbild dem angepasst. Sie hatte gelernt, dass nichts so gut von einer Person ablenkte wie eine Uniform. Also hatte sie Kleidung angezogen, wie ein Jägeroder ein Kundschafter der Armee sie tragen mochte   – weiches Leder mit eingearbeiteten Verstärkungen an empfindlichen Stellen, robuste Stiefel und ein Schwert mit schmaler Klinge an der Seite. Das hatte ganz nebenbei den Vorteil, dass sie stark und unangreifbar wirkte   … so weit jedenfalls, wie es für eine kleine und zierliche Person nur möglich war. Meris hatte dunkle Farben gewählt, braun und fast schwarz, und es war alles neu und von hervorragender Verarbeitung.
    »Wie geht es deiner Linken?«, fragte sie Dauras.
    »Die Kaiserin hat gute Heiler«, erwiderte er. »Die Hand ist kaum noch geschwollen und schmerzt auch nicht mehr. Solange ich sie nicht bewege, heißt das. Und was ist mit deiner

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