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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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nicht so vertraut mit den höfischen Umgangsformen«, gab Sortor ungerührt zurück. »Aber ich glaube doch verstanden zu haben, dass man eine Person bei Hofe gern nach dem Stand anspricht, der ihrem Amt gebührt, und nicht nur nach dem Rang ihrer Geburt, nicht wahr?«
    Meris nickte, und sie lauschte den Worten nach, um herauszufinden, ob sie eine Beleidigung waren oder eine Schmeichelei.
    »Wir werden uns gewiss wiedersehen«, sagte Sortor. »Doch erst einmal muss ich meinen Gönner suchen. Er wollte mich heute in diese Gesellschaft einführen, wenn ich ihn recht verstanden habe. Leben Sie einstweilen wohl, Dame Meris, und unterhalten Sie sich gut. Es gibt bestimmt den ein oder anderen Ritter hier im Saal, der ein Tänzchen mit Ihnen wagen würde.«
    Sie zwinkerte Meris zu und verschwand in der Menge. Meris sah, dass Sortor sogleich zu dem Kanzler hintrat und mit ihm plauderte wie mit einem vertrauten Freund.
    Der Abend schritt voran. Es gab eine Handvoll Edle außerhalb des engeren Kreises, die Kontakt mit dem Kaiser gehabt hatten in den beiden letzten Tagen vor seinem Tod und mit denen Meris noch sprechen wollte. Edle, die möglicherweise nichts von ihren Ermittlungen gehört hatten oder die sie zumindest nicht persönlich kannten.
    Sie verwickelte sie wie zufällig in ein Gespräch. Auf diese Weise kam sie tatsächlich zu dem einen oder anderen Tanz mit einem der Ritter.
    In den Armen eines gut gebauten Ritters mit dunklen Augen und dunklen Haaren und mit einem Akzent, der auf die Küste schließen ließ, ertappte sie sich dabei, wie ihre Aufgabe in den Hintergrund trat. Sie drehte sich rasch im Kreis, sie spürte die Arme des Ritters an ihren Hüften, und einen Moment lang fühlte sich das Gespräch, das sie führten, tatsächlich an wie das harmlose Geplauder auf einem Ball.
    »Den Kaiser   …«, sagte der Ritter. »Ja, den habe ich auch noch gesehen. Ich durfte ihm am Tage meiner Ankunft bei Hofe meine Aufwartung machen. Ich habe Geschichten über ihn gehört, wisst Ihr   …«
    »Meris«, flüsterte Meris. »Meris vom Hetwinkel.«
    Sie hatte sich keine Gedanken gemacht darüber, welchen Namen sie nennen sollte. Jetzt nahm sie einfach den Namen der Straße, in der sie wohnte.
    »Meris«, wiederholte der Ritter. »Wo liegt Hetwinkel?«
    »Meine Familie gehört zum Hof«, sagte Meris. »Horome ist meine Heimat.«
    »Ich könnte mir vorstellen, hier zu bleiben«, sagte der Ritter. Er geriet nicht außer Atem, auch nicht bei ihrem dritten Tanz. »Wenn Ihre Majestät mich als Offizier in die Garde aufnimmt. Das war der Anlass für meine Audienz bei ihrem Vater. Wie gesagt, ich wusste, was über ihn erzählt wird. Aber er war ganz aufgeräumt, als er mich empfing. Ehrenhafte Männer für die Garde könne er immer gebrauchen, meinte er. Es würde sich bald einiges ändern, und ich würde davon hören, sobald neue Posten für Fähnriche und Leutnants ausgeschrieben werden.«
    »Was sollte sich ändern?«, fragte Meris.
    »Wenn Ihr das nicht wisst   …« Der Ritter zuckte die Achseln. »Ihr lebt bei Hofe, und ich bin nur ein ahnungsloser Ritter, der auf seinem Weg bei dem örtlichen Grafen vorsprechen wollte, wie die Tradition es gebietet. Was kann ein Ritter aus der Provinz Euch über den Kaiser erzählen?«
    »Der Kaiser war selbst seiner Tochter fremd, als er noch lebte«, erklärte Meris. »Und sie war nicht bei ihm, als er starb. Was Ihr also von diesen letzten Tagen berichten könnt, ist neu für mich. Und es könnte von Interesse für meine Herrin sein.«
    »Ihr gehört zu den Zofen der Kaiserin?«, fragte er. »Ich könnte ihr persönlich von der Begegnung erzählen, wenn Ihr mir eine Audienz vermittelt.«
    Etwas hatte sich verändert. Die Vorstellung, eine leichtherzige Ballplauderei führen zu können, löste sich auf, und es fühlte sich wieder an wie ein nüchternes Gespräch. Vermutlich erging es dem Ritter ebenso.
    »Hat der Kaiser Euch allein empfangen?«, fragte Meris. »Oder waren seine Fürsten bei ihm?«
    »Nur einer«, sagte der Ritter. »Ein dürrer, kahlköpfiger Mann   – ein Hofrat, soweit ich es verstanden habe. Der Kaiser hat mich nur kurz begrüßt, weil er gleich wieder mit dem Hofrat reden wollte. Sie hatten einen Berg von Papieren vor sich, und sie wirkten ein wenig erhitzt. Ich habe sie durch die Türe laut reden hören über irgendwelche Aufgaben, die der Hofrat wohl anders erledigen sollte   – Schriften und Listen und Berichte. Nichts, womit ein Ritter sich abgeben

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