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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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sah ihn an. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf seine Augen, seine grauen, toten Augen, hinter denen sich doch eine Hellsichtigkeit verbarg   … die an diesen Mann verschwendetwar. Trotzdem. Wenn sie sich jemandem anvertrauen musste, war Dauras vermutlich die beste Person. Sie glaubte nicht, dass ihm irgendetwas heilig war außer ihm selbst. »Kaiser Aredrel wurde vergiftet«, flüsterte sie. »Ich habe   … seine Leiche untersucht, unter dem Tempel. Ich musste es tun, verstehst du? Nur so konnte ich es herausfinden. Aber wie könnte ich der Kaiserin sagen, dass ich ihren Vater aus dem Grab gezerrt habe?«
    »Ja«, sagte Dauras. »Das könnte ein Problem sein. Sie hört nicht gern Geschichten über Tote.«
    Meris warf ihm einen Blick von der Seite zu. »Vielen Dank. Das hilft mir wirklich weiter.«
    Dauras hob die Arme. »Was erwartest du? Ich bin Schwertkämpfer, kein Ratgeber   – wie mir selbst der Kanzler mit Brief und Siegel bestätigen würde.«
    »Was ist da eigentlich passiert gestern Abend?«, fragte sie. »Ich meine den Auftritt des Kanzlers auf dem Podest. Ich kenne diese Sortor, und ich traue ihr nicht. Warum hat unsere Kaiserin sie zur Hofmagierin ernannt?«
    »Das hat sie nicht«, erwiderte Dauras. »Der Kanzler hat das getan.«
    »Wie sollte er?«, fragte Meris. »Ich dachte, nur der Kaiser kann die Hofämter besetzen.«
    »Nun«, sagte Dauras. »Wenn ich es recht verstanden habe, gibt es gar kein Amt als Hofmagier. Nicht gemäß dem Hofprotokoll jedenfalls. Es ist nur ein leerer Titel, den sich der alte Kaiser für einen seiner Kumpel ausgedacht hat.«
    »Wenn man Runnik so nennen kann. Ja, vom Hofmagier des alten Kaisers hat man auch allerhand erzählt. Ich hätte nicht gedacht, dass Aruda diese Tradition fortführen will.«
    »Das will sie nicht«, entgegnete Dauras. »Nein. Dieser Runnik ist ein Schreckgespenst für sie, vor dem sie sich noch immer fürchtet. Aber der Kanzler kann ein goldenes Mundwerk haben, wenn er will, und auch diese Sortor tritt sehr einnehmend auf. Gemeinsam haben sie die Kaiserin überredet, dass sie diesen Winkelzug absegnet. Überredet, aber nicht überzeugt.«
    Dauras hob den Kopf. Meris hätte schwören mögen, dass er nach etwas Ausschau hielt, wenn sie nicht gewusst hätte, dass er nicht sehen konnte.
    »Den Ausschlag gab womöglich«, fuhr Dauras fort, »dass die Dame Sortor regelrecht niedergedrückt wirkte vor dem Thron und gar nicht an diesen schrecklichen Runnik erinnerte. Wenn ich jemals Streit mit einem Zauberer hätte, würde ich ihn im Thronsaal austragen. Wie dem auch sei   …« Er wischte mit der Hand durch die Luft. »Ich habe das Gefühl, deine Zurückhaltung auf dem Ball hat dir nichts genutzt. Du scheinst trotzdem genug Feinde zu haben, um den nächsten Anschlag auf dich zu lenken.«
    Meris schaute verwirrt auf bei dem Themenwechsel. »Was?«
    Dauras zeigte ihr die Handfläche. Er hatte einen kleinen Pfeil zwischen den Fingern gefangen. Meris sah das Gift an der Spitze, das dichte Federbüschel am Ende, was auf ein Blasrohr schließen ließ. Meris brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was geschehen war. Dauras’ Gesicht blieb unbewegt.
    »Jemand schießt auf uns?« Sie sah sich gehetzt um und griff nach dem Rapier, dass sie an der Seite trug.
    Dauras nickte. »Da oben auf dem Dach.«
    Er wies mit der Hand auf ein zweistöckiges Gebäude am Ende der Straße und holte mit einem Mal aus, als würde er ein Insekt beiseitefegen. Metall klirrte über das Pflaster. Das Geschoss war so klein, dass Meris nicht einmal sah, wie es davonsprang.
    »Das ist doch verrückt!« Sie suchte Deckung an einer Mauer.
    Dauras blieb gleichmütig. »Keine Sorge. Diese Waffe hat keine Kraft. Die Nadeln sind   …«
    »Langsam!«, zischte Meris. »Ich habe es allmählich verstanden, dein Lebensmotto. Aber vielleicht solltest du lieber einmal schnell etwas tun!«
    Dauras nickte. »Den hole ich mir. Pass auf, dass er nicht vorne herum entkommt.«
    Er rannte los, nicht auf das Haus zu, auf das er gezeigt hatte, sondern auf ein Gebäude gleich neben ihnen. Im Laufen zog er das Schwert, schlug mit einem Hieb die Fensterscheibe ein, sodass Scherben und Splitter in alle Richtungen spritzten. Er sprang hindurch, ohne einen Moment innezuhalten. Die Bewohner schrien entsetzt auf.
    Meris dachte kurz nach, dann huschte sie selbst zu dem Haus. Sie schaute misstrauisch nach oben und behielt die Fenster im Auge. Die Menschen auf der Straße schauten erschrocken und suchten das

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