Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
Vom Netzwerk:
hoch.
    »Vermutlich hast du recht«, sagte sie. »Ich sollte auf dem Ball erscheinen. Ich muss mit den Großen des Reiches sprechen, wenn ich mehr über den Tod des Kaisers herausfinden will. Auf dem Ball, wenn der Wein die Zunge löst, fällt mir das womöglich leichter.«
    Dauras grinste. »Ihre Zunge   – oder deine?«
    Meris lachte unwillkürlich auf. »Beides, nehme ich an. Bponur weiß, ich habe mir diese Aufgabe nicht ausgesucht. Ich bin nicht groß genug für diese Position.«
    »Weißt du was«, erwiderte Dauras. »Wenn einer von diesen aufgeblasenen Höflingen nicht mit dir reden will, dann schick einfach mich. Es würde mich doch interessieren, was herauskommt, wenn ich in den hohen Herren ein wenig herumbohre.«
    Meris schnaubte. »Was dabei herauskommt, kann ich dir jetzt schon sagen. Ein Bürgerkrieg. Eine Palastrevolution. Dir ist egal, wen du beleidigst. Da beiße ich mich lieber selbst durch   … Ich fühle mich vielleicht nicht so groß wie du, aber ich habe schon immer Kaiser und Reich beschützt und werde weiterhin dafür kämpfen, solange ich lebe.«
    »Ich ziehe es vor, meine Kämpfe zu Ende zu bringen«, sagte Dauras. »Zu gewinnen und weiterzuziehen und einen neuen Gegner zu suchen. Aber ich hätte mir denken können, dass man dich nur so auf einen Ball bekommt: wenn du dort deine Pflicht tun kannst. Immer nur Dienst, nie etwas für dich selbst.«
    Sie hatten den Markt und die Flussstraße längst hinter sichgelassen und waren von der Hauptstraße abgebogen, die vom Fluss fortführte. Meris wohnte nicht weit entfernt von der Marmorbrücke in einem ruhigeren und nicht sehr wohlhabenden Stadtviertel. Schließlich blieb sie in einer gepflasterten Gasse mit hohen schmalen Häusern, verwinkelten Innenhöfen und mit pergamentbezogenen Fenstern stehen.
    Der Regen hatte fast aufgehört. Ein kleines Kind spielte in auf der Straße und patschte barfuß durch Pfützen und lachte. Eine Frau mittleren Alters stand in einer offenen Haustür und blickte hinaus.
    Meris beugte sich vor und rief: »Tordis!«
    Das Kind sah zu ihr hin, zögerte, dann tapste es mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Meris hob es hoch, hielt es an den ausgestreckten Armen von sich weg und lächelte. »Wir werden baden müssen, wir beide«, sagte sie. Sie nahm das Kind in den Arm und sah Dauras an. »Und wir treffen uns auf dem Ball wieder. Zum Ankleiden brauche ich nämlich auch keinen blinden Mönch.«
    Dauras trat auf sie zu und runzelte die Stirn. »Wer ist das?«, fragte er.
    Das Kind drehte sich von ihm weg und versteckte sich hinter Meris’ Kopf.
    »Das«, sagte sie, »ist Tordis. Meine Tochter. Und meine Antwort auf deine hübsche Predigt zu Titeln und Ämtern. Du willst nur den Menschen wahrnehmen und nicht seine Position?
    Nun, das glaube ich dir gern. Wenn alles verloren geht, was vom Reich noch übrig ist, wenn es keinen Kaiser mehr gibt, keine Gerichte, keine Institutionen und keine Gesetze, dann zählt nur der Mensch allein. Seine Stärke. Wie gut er sein Schwert führen oder wie viele Schwerter er an seine Seite holen kann. Ich kann mir vorstellen, dass so eine Welt dir gefallen muss.
    Aber welchen Platz hat ein kleines Kind in so einer Welt? Soll ich meine Tordis in so einer Welt aufwachsen sehen?
    Du musst mir also nicht erzählen, was gut und richtig ist, und was ich tun sollte, Dauras. Du hast keine Ahnung, was gut für mich ist.
    Ich folge nicht irgendwelchen Herren und Pflichten, ohne darüber nachzudenken. Wenn ich für das Reich kämpfe und für die Autorität des Kaisers, dann tue ich das nicht, um einem Hofrat zu gefallen. Ich kämpfe für mich.
    Ich tue es für meine Tochter.«
    Der Kanzler hatte den Ball ausgerichtet und bezahlte auch dafür. Aber die Kaiserin hatte die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, und vermutlich kam das silberne Geschirr ebenfalls aus den kaiserlichen Beständen, genau wie das schimmernde Kristall, die goldenen Ketten und ein Teil der bunten Bänder und Wandbehänge, die den Raum zierten. Es war der Thronsaal selbst, in dem der Kanzler sich und sein Amt feiern ließ   – ein riesiger kreisrunder Saal mit Säulen und Erkern darum herum. Der Boden schimmerte schwarz, Ornamente aus Gold und Silber waren darin eingelassen. Am hinteren Ende ragte ein Podest zungenförmig in die Halle hinein, und flache Stufen führten hinauf zu dem großen Thron und einigen Ehrensitzen links und rechts davon.
    In den Nischen am Rand bogen sich die Tische unter den Speisen, und Pagen trugen

Weitere Kostenlose Bücher