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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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wirst.«
    »Vater«, sagte sie, während eine leichte Brise plötzlich durch den Garten wehte und die rosa und weißen Blütenblätter wie Schnee zu Boden fielen.
    Am nächsten Tag reiste ihr Vater ab. Kaede sah ihn mit seinen Gefolgsleuten aufbrechen, die schon bei der Familie gewesen waren, bevor sie geboren wurde; manche kannte sie noch mit Namen: Shoji, den besten Freund ihres Vaters, und den jungen Amano, der nur ein paar Jahre älter war als sie. Nachdem sie durch das Schlosstor geritten waren und die Pferdehufe die Kirschblüten auf den flachen Kopfsteinstufen zertreten hatten, lief Kaede zur Außenmauer und beobachtete, wie sie entlang dem Flussufer verschwanden. Schließlich legte sich der Staub, die Stadthunde beruhigten sich und die Reisenden waren weg.
    Das nächste Mal würde sie ihren Vater sehen, wenn sie als verheiratete Frau zum offiziellen Besuch in ihr Elternhaus käme.
    Auf dem Weg zum Wohnhaus machte sie ein finsteres Gesicht, um die Tränen zurückzuhalten. Ihre Laune besserte sich nicht, als sie die Stimme einer Fremden hörte. Jemand schwatzte mit Junko. Es war die Art Geschwätz, die Kaede am meisten verachtete, Geplauder einer Kleinmädchenstimme mit aufgeregtem Gekicher. Die Sprecherin konnte sie sich schon vorstellen: ein winziges Mädchen mit runden Puppenwangen, trippelndem Vogelgang und einem Kopf, der immerzu nickte und sich verbeugte.
    Als sie in das Zimmer kam, arbeiteten Junko und das fremde Mädchen an ihren Kleidern, sie machten die letzten Änderungen, stichelten und falteten die Gewänder zusammen. Die Noguchi verloren keine Zeit, sie loszuwerden. Bambuskörbe und Holzkisten standen schon bereit, um gepackt zu werden. Ihr Anblick verstimmte Kaede noch mehr.
    »Was macht diese Person hier?«, fragte sie gereizt.
    Das Mädchen presste sich beim Verneigen auf den Boden; Kaede hatte sich schon gedacht, dass sie so übertreiben würde.
    »Das ist Shizuka«, sagte Junko. »Sie wird Lady Kaede nach Inuyama begleiten.«
    »Ich will sie nicht«, entgegnete Kaede. »Ich möchte, dass du mit mir kommst.«
    »Lady, ich kann hier unmöglich weg. Lady Noguchi würde es nie erlauben.«
    »Dann sag ihr, sie soll jemand anders mitschicken.«
    Shizuka lag immer noch mit dem Gesicht auf dem Boden und gab etwas von sich, das wie Schluchzen klang. Kaede blieb unbeeindruckt, sie war sich sicher, dass es vorgetäuscht war.
    Junko versuchte sie zu besänftigen. »Sie sind aufgeregt, Lady. Die Neuigkeit von der Heirat, Ihres Vaters Abreise… Sie ist ein gutes Mädchen, sehr hübsch, sehr klug. Setz dich auf, Shizuka. Lass Lady Shirakawa dich anschauen.«
    Das Mädchen richtete sich auf, doch sie sah Kaede nicht direkt an. Aus ihren gesenkten Augen rannen Tränen. Sie schniefte ein- oder zweimal. »Bitte, Lady, schicken Sie mich nicht weg. Ich werde alles für Sie tun. Ich schwöre, Sie werden nie jemanden finden, der sich besser um Sie kümmert als ich. Im Regen werde ich Sie tragen, wenn Sie frieren, dürfen Sie an mir Ihre Füße wärmen.« Ihre Tränen schienen versiegt zu sein und sie lächelte wieder.
    »Du hast mich nicht gewarnt, wie schön Lady Shirakawa ist«, sagte sie zu Junko. »Kein Wunder, dass Männer für sie sterben!«
    »Sag das nicht!«, rief Kaede. Wütend ging sie zur Tür. Zwei Gärtner nahmen Blätter vom Moos, eins nach dem anderen. »Ich habe es satt, das zu hören.«
    »Es wird immer gesagt werden«, bemerkte Junko. »Das gehört jetzt zum Leben der Lady.«
    »Ich wollte, Männer würden für mich sterben«, sagte Shizuka lachend. »Aber sie scheinen sich so leicht in mich zu verlieben wie ich mich in sie, und genauso leicht vergessen wir einander!«
    Kaede drehte sich nicht um. Das Mädchen kroch auf den Knien zu den Kisten und fing wieder an, Kleidungsstücke zusammenzulegen und dabei leise zu singen. Ihre Stimme war klar und rein. Sie sang eine alte Ballade über das kleine Dorf im Kiefernwald, das Mädchen, den jungen Mann. Kaede glaubte das Lied aus ihrer Kindheit zu kennen. Es machte ihr erneut klar, dass ihre Kindheit vorüber war, dass sie einen Fremden heiraten sollte, dass sie die Liebe nie kennen lernen würde. Vielleicht konnten sich Leute in Dörfern verlieben, doch für jemanden in ihrer Stellung war noch nicht einmal daran zu denken.
    Sie ging durchs Zimmer, kniete sich neben Shizuka und nahm ihr grob das Kleidungsstück aus der Hand. »Wenn du das schon machst, dann mach es richtig!«
    »Ja, Lady.« Shizuka verneigte sich wieder bis auf den Boden und

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