Das Schwert in Der Stille
Erzählungen, schrieb Gedichte und lernte die Frauenschrift. Aber sie war alles andere als glücklich.
Lady Noguchi hatte immer etwas an ihr auszusetzen. Sie fand es abstoßend, dass Kaede linkshändig war, hielt sie für hässlich im Vergleich zu ihren Töchtern, kritisierte ihre Größe und Schlankheit. Sie erklärte, schockiert zu sein, weil Kaede in fast nichts unterrichtet worden war, und gab nie zu, dass sie daran schuld sein könnte.
Wenn sie unter sich waren, lobte Junko Kaedes blasse Haut, den zarten Wuchs, das dichte Haar, und Kaede, die so oft wie möglich in den Spiegel schaute, fand, dass sie vielleicht doch schön war. Sie wusste, dass Männer sie sogar hier, im Wohnsitz des Lords, lüstern anschauten, aber sie hatte Angst vor allen Männern. Seit der eine sie angegriffen hatte, bekam sie in der Nähe der Wachmänner eine Gänsehaut. Der bloße Gedanke an eine Ehe erschreckte sie. Bei jedem Gast im Haus fürchtete sie, es könnte ihr künftiger Ehemann sein. Wenn sie in seiner Anwesenheit Tee oder Wein bringen musste, raste ihr Herz, und ihre Hand zitterte, bis Lady Noguchi entschied, sie sei zu ungeschickt, um Gäste zu bedienen, und dürfe sich nur in den Frauengemächern aufhalten.
Kaede wurde gelangweilt und ungeduldig. Sie stritt sich mit Lady Noguchis Töchtern, schalt die Dienstmädchen wegen Kleinigkeiten und war selbst gegenüber Junko reizbar.
»Das Mädchen muss verheiratet werden«, erklärte Lady Noguchi, und zu Kaedes Entsetzen wurde rasch die Hochzeit mit einem Gefolgsmann von Lord Noguchi arrangiert. Verlobungsgeschenke wurden ausgetauscht, und sie erkannte den Mann von ihrer Audienz beim Lord wieder. Nicht nur, dass er alt war - dreimal so alt wie sie, zweimal verheiratet und ihr körperlich zuwider -, sie kannte auch ihren eigenen Wert. Die Heirat war eine Beleidigung für sie und ihre Familie. Sie wurde an diesen Menschen weggeworfen. Sie weinte nächtelang und konnte nichts essen.
Eine Woche vor der Hochzeit kamen Boten in der Nacht und weckten die Bewohner des Hauses. Lady Noguchi rief zornig nach Kaede.
»Sie sind vom Unglück verfolgt, Lady Shirakawa. Ich glaube, Sie müssen verflucht sein. Ihr Verlobter ist tot.«
Der Mann hatte zur Feier der bevorstehenden Hochzeit mit Freunden getrunken, einen Anfall bekommen und war tot auf die Weinbecher gefallen.
Kaede war benommen vor Erleichterung, aber dieser zweite Todesfall wurde ihr ebenfalls angelastet. Jetzt waren zwei Männer ihretwegen gestorben, und das Gerücht verbreitete sich, dass jeder, der sie begehrte, mit seinem Leben spielte.
Sie hoffte, es würde jeden vor einer Heirat mit ihr abschrecken, aber eines Abends, als sich der dritte Monat seinem Ende zuneigte und die Bäume helle neue Blätter bekamen, flüsterte Junko ihr zu: »Einer aus dem Clan der Otori wurde als Ehemann meiner Lady vorgeschlagen.«
Sie stickten gerade; Kaede kam aus dem schaukelnden Rhythmus und stach sich so heftig mit der Nadel, dass sie blutete. Junko zog rasch die Seide weg, bevor sie befleckt wurde.
»Wer ist es?« Kaede steckte den Finger in den Mund und schmeckte das Salz ihres Blutes.
»Ich weiß nicht genau. Aber Lord Iida ist selbst dafür, und den Tohan kommt es darauf an, das Bündnis mit den Otori zu besiegeln. Dann werden sie das ganze mittlere Land beherrschen.«
Kaede zwang sich zur nächsten Frage. »Wie alt ist er?«
»Das ist noch unklar, Lady. Aber Alter spielt bei einem Ehemann keine Rolle.«
Kaede nahm die Stickerei wieder auf: weiße Kraniche und blaue Schildkröten vor einem tiefrosa Hintergrund - ein Hochzeitskleid. »Ich wollte, es würde nie fertig!«
»Seien Sie glücklich, Lady Kaede. Sie werden hier wegkommen. Die Otori leben in Hagi am Meer. Es ist eine ehrenwerte Partie für Sie.«
»Die Ehe ängstigt mich«, sagte Kaede.
»Jeder hat Angst vor dem, was er nicht kennt! Aber Frauen lernen die Ehe zu genießen, das werden Sie sehen.« Junko kicherte in sich hinein.
Kaede erinnerte sich an die Hände des Wachtpostens, seine Stärke, seine Begierde, und Abscheu stieg in ihr hoch. Ihre eigenen Hände, die normalerweise flink und geschickt waren, wurden langsamer. Junko tadelte sie nicht unfreundlich und behandelte sie bis zum Abend mit großer Behutsamkeit.
Ein paar Tage darauf wurde Kaede zu Lord Noguchi gerufen. Als Gäste angekommen waren, hatte sie Pferdegetrappel und die Rufe fremder Männer gehört, war den Besuchern aber wie gewohnt aus dem Weg gegangen. Beklommen betrat sie das Audienzzimmer, doch zu
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