Das Schwert in Der Stille
Augen blieben trocken.
Kenji zog mich an sich und flüsterte: »Wer hat es dir gesagt?«
»Jemand, den ich aus Mino kenne, war am Schrein.«
»Hat er dich erkannt?«
»Er hat es geglaubt. Ich habe ihn davon überzeugt, dass er sich irrte. Aber als er noch dachte, ich sei Tomasu, hat er mir vom Tod meiner Mutter erzählt.«
»Das tut mir Leid«, sagte Kenji mechanisch. »Du hast ihn getötet, hoffe ich.«
Ich gab keine Antwort. Das war nicht nötig. Kaum hatte er gefragt, wusste er schon Bescheid. Wütend schlug er mir auf den Rücken wie Ichiro, wenn ich in einem Schriftzeichen einen Strich vergessen hatte. »Du bist ein Dummkopf, Tomasu.«
»Er war unbewaffnet, harmlos. Er kannte meine Familie.«
»Es ist genau, wie ich gefürchtet habe. Du hast zugelassen, dass Mitleid deine Hand lähmte. Weißt du nicht, dass der Mann, dessen Leben du verschonst, dich immer hassen wird? Du hast ihn nur davon überzeugt, dass du Tomasu bist.«
»Warum sollte er sterben wegen meines Schicksals? Was würde sein Tod nützen? Nichts!«
»Mich beunruhigt das Unheil, das sein Leben, seine redselige Zunge zur Folge haben kann«, sagte Kenji und ging ins Haus, um es Lord Shigeru zu berichten.
Ich war in Ungnade und durfte nicht allein in die Stadt. Kenji ließ mich jetzt nicht mehr aus den Augen, und ich fand es fast unmöglich, ihm zu entkommen. Trotzdem versuchte ich es. Wie immer, wenn mir ein Hindernis in den Weg gestellt wurde, bemühte ich mich, es zu überwinden. Mein Mangel an Gehorsam erzürnte Kenji, doch meine Geschicklichkeit wurde noch größer, und ich vertraute immer mehr darauf.
Lord Shigeru redete mit mir über den Tod meiner Mutter, nachdem Kenji ihm von meinem Versagen als Mörder erzählt hatte. »In der ersten Nacht, in der wir uns trafen, hast du um sie geweint. Jetzt darf es kein Anzeichen von Trauer geben. Du weißt nicht, wer dich beobachtet.«
So blieb die Trauer unausgesprochen in meinem Herzen. Nachts wiederholte ich still die Gebete der Verborgenen für die Seelen meiner Mutter und meiner Schwestern. Aber ich sprach nicht die Gebete der Vergebung, die meine Mutter mich gelehrt hatte. Ich hatte nicht vor, meine Feinde zu lieben. Meine Trauer sollte meinen Wunsch nach Rache nähren.
In jener Nacht hatte ich Fumio zum letzten Mal gesehen. Als es mir gelang, Kenji zu entfliehen und wieder zum Hafen zu gehen, waren die Teradaboote verschwunden. Ich erfuhr von den anderen Fischern, dass die Familie eines Nachts weggefahren sei, hohe Steuern und ungerechte Bestimmungen hatten sie schließlich ins Exil getrieben. Nach den Gerüchten war sie nach Oshima geflohen, wo sie ursprünglich herkam. Von dieser abgelegenen Insel aus würde sie höchstwahrscheinlich Seeräuberei betreiben.
Um diese Zeit, bevor der heftige Regen begann, interessierte sich Lord Shigeru sehr fürs Bauen und verfolgte seine Pläne, an einem Ende des Hauses ein Teezimmer errichten zu lassen. Ich war dabei, als er das Holz auswählte, die Zedernstämme, die Boden und Dach tragen sollten, die Zypressenbretter für die Wände. Der Geruch nach gesägtem Holz erinnerte mich an die Berge, und die Zimmerleute hatten die Eigenheiten der Männer meines Dorfs: Sie waren meist schweigsam, brachen aber plötzlich in Gelächter aus über ihre unergründlichen Witze. Ich gewöhnte mir wieder meine alte Sprechweise an und benutzte Worte aus dem Dorf, die ich seit Monaten nicht mehr gebraucht hatte. Manchmal lachten die Handwerker sogar über meinen Dialekt.
Lord Shigeru beobachtete fasziniert die verschiedenen Stadien des Bauens, vom Holzfällen im Wald über die Vorbereitung der Bretter und die verschiedenen Methoden des Bodenlegens. Bei unseren vielen Besuchen im Holzlager wurden wir vom Zimmerermeister Shiro begleitet, der aus demselben Stoff gemacht zu sein schien wie das Holz, das er, der Bruder von Zeder und Zypresse, so liebte. Er sprach über den Charakter und den Geist jedes Holzes und was es aus dem Wald ins Haus brachte.
»Jedes Holz hat seinen eigenen Klang«, sagte er. »Jedes Haus hat sein eigenes Lied.«
Ich hatte gedacht, nur ich wüsste, wie ein Haus singen kann. Seit Monaten hatte ich Lord Shigerus Haus gelauscht, hatte gehört, wie das Lied sich zur Wintermusik dämpfte, hatte Balken und Wänden zugehört, als sich das Haus unter dem Gewicht des Schnees tiefer in den Boden drückte, gefror und taute, sich zusammenzog und dehnte. Jetzt sang es wieder vom Wasser.
Shiro beobachtete mich, als könne er meine Gedanken lesen.
»Ich
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