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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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habe gehört, dass Lord Iida einen Boden in Auftrag gegeben hat, der singt wie eine Nachtigall«, sagte er. »Aber warum soll ein Boden singen wie ein Vogel, wenn er schon sein eigenes Lied hat?«
    »Wozu dient ein solcher Boden?«, fragte Lord Shigeru wie beiläufig.
    »Lord Iida hat Angst vor Attentätern. Der Boden ist ein zusätzlicher Schutz. Niemand kann ihn überqueren, ohne ein Zwitschern auszulösen.«
    »Wie wird er gemacht?«
    Der Alte erklärte an einem halb fertigen Bodenteil, wie die Träger angebracht wurden, damit die Bretter Geräusche von sich gaben. »Ich habe gehört, dass sie solche Böden in der Hauptstadt haben. Die meisten Leute wollen einen stillen Boden. Einen lauten würden sie ablehnen und den Zimmerer auffordern, ihn neu zu legen. Aber Iida kann nachts nicht schlafen. Er fürchtet, jemand werde sich an ihn heranschleichen - und jetzt liegt er wach und fürchtet, dass sein Boden anfängt zu singen!« Er lachte in sich hinein.
    »Könntest du einen solchen Boden machen?«, fragte Lord Shigeru.
    Shiro grinste mir zu. »Ich kann einen so stillen Boden machen, dass noch nicht einmal Takeo ihn hören kann. Ich glaube schon, dass ich einen machen kann, der singt.«
    »Takeo wird dir helfen«, erklärte der Lord. »Er muss genau wissen, wie er gebaut wird.«
    Damals wagte ich nicht zu fragen, warum. Ich konnte es mir schon vorstellen, aber ich wollte es nicht in Worte fassen. Das Gespräch wandte sich dem Teehaus zu, und während Shiro den Bau leitete, machte er einen kleinen singenden Boden, einen Plankenweg an Stelle der Veranden, und ich beobachtete, wie jedes Brett gelegt wurde, jeder Träger und jeder Pflock.
    Chiyo klagte, von dem Quieksen bekomme sie Kopfschmerzen, und es klinge mehr nach Mäusen als nach einem Vogel. Aber allmählich gewöhnten sich alle im Haus daran, und die Geräusche wurden Teil des täglichen Hausgesangs.
    Der Boden belustigte Kenji unglaublich. Er dachte, schon deshalb würde ich im Haus bleiben. Lord Shigeru erklärte nicht, warum ich wissen musste, wie der Boden gemacht wurde, aber er wusste wohl, welche Anziehungskraft er für mich hatte. Ich horchte den ganzen Tag auf den Boden. Ich erkannte jeden, der darüber ging, am Schritt. Ich konnte den nächsten Ton des Bodenlieds voraussagen. Ich versuchte darauf zu gehen, ohne die Vögel zu wecken. Das war schwer - Shiro hatte seine Arbeit gut gemacht -, aber nicht unmöglich. Ich hatte zugesehen, wie der Boden gelegt worden war. Ich wusste, dass er nichts Magisches hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich ihn beherrschte. Mit der fast fanatischen Geduld, die ich jetzt als eine Eigenheit des Stamms kannte, übte ich, auf dem Boden zu gehen.
    Die Regenzeit begann. Eines Nachts war die Luft so heiß und feucht, dass ich nicht schlafen konnte. Ich ging zum Brunnen, um etwas zu trinken, dann stand ich am Eingang und betrachtete den Boden vor mir. Ich wusste, dass ich ihn überqueren würde, ohne jemanden zu wecken.
    Ich ging schnell, meine Füße wussten, wohin sie zu treten hatten und mit wie viel Druck. Die Vögel blieben still. Ich empfand die tiefe Freude, die nichts mit Stolz zu tun hat und die entsteht, wenn man sich die Fertigkeiten des Stamms angeeignet hat. Da hörte ich ein Atemgeräusch, drehte mich um und sah Lord Shigeru, der mich beobachtete.
    »Sie haben mich gehört«, sagte ich enttäuscht.
    »Nein, ich war schon wach. Kannst du es noch einmal machen?«
    Geduckt blieb ich noch einen Augenblick stehen und zog mich nach Stammesart in mich selbst zurück, ließ alles von mir abfallen bis auf meine Aufmerksamkeit für die Geräusche der Nacht. Dann lief ich über den Nachtigallenboden zurück. Die Vögel schliefen weiter.
    Ich dachte an Iida, der in Inuyama wach lag und auf die singenden Vögel horchte. Ich stellte mir vor, wie ich über den Boden zu ihm kroch, völlig lautlos, völlig unerkannt.
    Wenn Lord Shigeru das Gleiche dachte, erwähnte er es nicht. Er sagte jetzt nur: »Ich bin von Shiro enttäuscht. Ich dachte, sein Boden wäre schlauer als du.«
    Keiner von uns sagte: Ob der von Iida es ist? Dennoch lag in der schweren Nachtluft des sechsten Monats die Frage zwischen uns.

    Das Teehaus wurde ebenfalls vollendet; wir tranken dort abends oft unseren Tee, und ich dachte daran, wie ich zum ersten Mal das teure grüne Gebräu gekostet hatte. Damals war es von Lady Maruyama zubereitet worden.
    Ich spürte, dass Lord Shigeru sie im Sinn gehabt hatte, als er den Raum bauen ließ, aber er erwähnte es

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