Das Schwert in Der Stille
gegenüber den Onkeln und den Anforderungen des Bündnisses. Doch durch die Heirat würde Lady Maruyama nicht nur den Mann verlieren, den sie seit Jahren liebte, sondern auch ihren stärksten Verbündeten.
Die spannungsgeladene Atmosphäre im Raum machte mich beklommen und unbeholfen. Ich sah, wie Lady Maruyamas Kälte Kaede verletzte, sah, wie dem Mädchen das Blut in die Wangen stieg und ihre Haut noch schöner machte. Ich konnte ihren Herzschlag und ihren schnellen Atem hören. Sie schaute niemanden an, sie hielt die Augen gesenkt. Ich dachte: Sie ist so jung und verängstigt. Dann hob sie die Augen und schaute mich einen Augenblick lang an. Ich hatte das Gefühl, sie sei wie eine Ertrinkende im Fluss, und wenn ich die Hand ausstreckte, würde ich sie retten.
»Nun, Shigeru, musst du wählen zwischen der mächtigsten Frau in den drei Ländern und der schönsten«, sagte Kenji später, als wir noch im Gespräch zusammensaßen und viele Flaschen Wein geleert hatten. Da der Regen uns in Tsuwano vermutlich tagelang festhalten würde, brauchten wir nicht früh zu Bett zu gehen und vor dem Morgengrauen aufzustehen. »Ich hätte als Lord geboren werden sollen.«
»Du hast eine Frau, du müsstest nur bei ihr bleiben«, entgegnete Shigeru.
»Meine Frau ist eine gute Köchin, aber sie hat eine böse Zunge, sie ist fett und sie hasst Reisen«, murrte Kenji. Ich sagte nichts, doch ich lachte in mich hinein, weil ich schon wusste, wie Kenji die Abwesenheit seiner Frau nutzte: im Vergnügungsviertel.
Kenji scherzte weiter mit der tieferen Absicht, wie ich glaubte, Shigeru auszuhorchen, doch der Lord antwortete ihm im gleichen Ton, als würde er wirklich seine Verlobung feiern. Vom Wein benebelt ging ich schlafen, während der Regen auf das Dach trommelte, durch die Rinnen und über das Pflaster strömte. Die Kanäle waren randvoll; in der Ferne hörte ich, wie das Lied des Flusses zu einem Schrei anschwoll, während das Wasser den Berg hinabstürzte.
Mitten in der Nacht wachte ich auf und merkte sofort, dass Shigeru nicht mehr im Zimmer war. Als ich horchte, nahm ich seine Stimme wahr, die so leise mit Lady Maruyama redete, dass niemand außer mir es hören konnte. So hatten sie vor fast einem Jahr in einem anderen Zimmer gesprochen. Ich war entsetzt über das Risiko, das sie eingingen, und erstaunt über die Kraft der Liebe, die das Paar durch diese seltenen Treffen stärkte.
Er wird nie Shirakawa Kaede heiraten, dachte ich, wusste aber nicht, ob diese Erkenntnis mich freute oder erschreckte.
Voller Unbehagen lag ich bis zum Morgengrauen wach. Der Tag begann grau und nass ohne Anzeichen einer Wetterbesserung. Ein Taifun hatte früher als sonst den westlichen Teil des Landes heimgesucht mit Regengüssen, Überschwemmungen, zerstörten Brücken und unpassierbaren Straßen. Alles war feucht und roch modrig. Zwei Pferde hatten heiße, geschwollene Fesseln, und ein Stallbursche war in die Brust getreten worden. Ich ordnete Breiumschläge für die Pferde an und kümmerte mich darum, dass ein Arzt den Mann besuchte. Gerade aß ich ein spätes Frühstück, da kam Kenji und erinnerte mich an das Schwerttraining. Es war das Letzte, wonach mir zu Mute war.
»Was willst du denn sonst den ganzen Tag machen?«, fragte er. »Herumsitzen und Tee trinken? Shizuka kann dir eine Menge beibringen. Wenn wir schon hier bleiben müssen, können wir geradeso gut das Beste daraus machen.«
Also aß ich gehorsam zu Ende und folgte meinem Lehrer durch den Regen zur Kampfschule. Von draußen konnte ich das Aufschlagen und Klappern der Stangen hören. Drinnen kämpften zwei junge Männer. Im nächsten Augenblick merkte ich, dass einer kein Junge war, sondern Shizuka: Sie war geschickter als ihr Gegner, aber der andere, größer und entschlossener, konnte es gut mit ihr aufnehmen. Doch als wir kamen, gelang es Shizuka leicht, seine Deckung zu durchbrechen. Erst als der andere die Maske abnahm, erkannte ich Kaede.
»Oh«, sagte sie wütend und fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht, »die beiden haben mich abgelenkt.«
»Nichts darf Sie ablenken, Lady«, sagte Shizuka. »Das ist Ihre größte Schwäche. Es fehlt Ihnen an Konzentration. Es darf nichts geben als Sie, Ihren Feind und die Schwerter.«
Sie wandte sich um und begrüßte uns. »Guten Morgen, Onkel! Guten Morgen, Vetter!«
Wir erwiderten den Gruß und verbeugten uns ehrerbietig vor Kaede. Dann entstand eine kurze Stille. Ich war verlegen. Noch nie zuvor hatte ich Frauen in einer
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