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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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ich sah im Tageslicht das Tor und die Mauern, die ich bei Nacht erklettert hatte.
    Lord Kitano begrüßte uns höflich und drückte sein Beileid über Takeshis Tod aus. Der schien auf seinem Gewissen zu lasten, denn er kam mehrmals auf das Thema zurück. Er war im gleichen Alter wie die Otorilords und hatte Söhne im Alter von Shigeru. Sie waren bei dem Treffen nicht anwesend. Der eine war angeblich unterwegs, der andere krank. Lord Kitano äußerte Entschuldigungen, die ich als Lügen erkannte.
    »Sie lebten als Jungen in Hagi«, erzählte mir Shigeru später. »Wir haben zusammen trainiert und gelernt. Sie kamen oft ins Haus meiner Eltern und standen Takeshi und mir so nah wie Brüder.« Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Nun, das war vor vielen Jahren. Die Zeiten ändern sich, und wir alle müssen uns mit ihnen ändern.«
    Aber so resigniert konnte ich nicht sein. Bitter spürte ich, dass er immer einsamer wurde, je näher wir dem Tohangebiet kamen.
    Es war am frühen Abend. Wir hatten gebadet und warteten auf die Mahlzeit. Kenji war in ein öffentliches Badehaus gegangen, wo ihn ein Mädchen interessierte, wie er sagte. Das Zimmer ging auf einen kleinen Garten hinaus. Der Regen hatte bis auf ein Nieseln nachgelassen und die Türen standen weit offen. Es roch kräftig nach durchweichter Erde und nassen Blättern.
    »Morgen wird es aufklaren«, sagte Shigeru. »Wir werden weiterreiten können. Aber vor dem Fest kommen wir nicht nach Inuyama. Ich glaube, wir werden in Yamagata bleiben müssen.« Er lächelte völlig freudlos. »Ich werde meines Bruders gedenken können an dem Ort, wo er gestorben ist. Aber ich darf niemandem meine Gefühle zeigen. Ich muss so tun, als hätte ich alle Rachegedanken verdrängt.«
    »Warum gehen wir ins Tohangebiet?«, fragte ich. »Zur Umkehr ist es noch nicht zu spät. Wenn meine Adoption Sie zu dieser Heirat verpflichtet, dann könnte ich mit Kenji weggehen. Er möchte das.«
    »Auf keinen Fall!«, entgegnete Shigeru. »Ich habe mein Wort gegeben, dass ich diese Vereinbarungen einhalte, und ich habe sie besiegelt. Ich bin jetzt in den Fluss gesprungen und muss treiben, wohin er mich trägt. Lieber möchte ich von Iida getötet werden, als dass er mich verachtet.« Horchend schaute er sich um. »Sind wir ganz allein? Kannst du jemanden hören?«
    Ich hörte die üblichen Abendgeräusche der Herberge: die leisen Schritte der Mädchen, die den Gästen Essen und Wasser brachten; aus der Küche den Koch, der mit dem Messer hackte; kochendes Wasser; die gemurmelte Unterhaltung der Wachen im Gang und im Hof. Einen anderen Atem als unseren hörte ich nicht.
    »Wir sind allein.«
    »Komm näher. Sobald wir bei den Tohan sind, können wir nicht mehr reden. Es gibt viele Dinge, die ich dir erzählen muss, bevor…«, er grinste mich an, diesmal war es ein richtiges Lächeln, »bevor in Inuyama geschieht, was geschehen muss! Ich habe daran gedacht, dich wegzuschicken. Kenji wünscht es zu deiner Sicherheit, und natürlich sind seine Ängste gerechtfertigt. Ich muss nach Inuyama gehen, komme, was da wolle. Doch ich bitte dich um einen fast unmöglichen Dienst, weit über jede Verpflichtung hinaus, die du mir gegenüber haben könntest, und ich finde, ich muss dir eine Wahl lassen. Bevor wir ins Tohangelände reiten, und nachdem du gehört hast, was ich zu sagen habe, bist du frei, mit Kenji wegzugehen und dich dem Stamm anzuschließen.«
    Ein schwaches Geräusch vom Gang rettete mich vor einer Antwort. »Jemand kommt an die Tür.« Wir schwiegen beide.
    Gleich darauf kamen die Dienstmädchen mit den Essentabletts. Als sie wieder gegangen waren, fingen wir an zu essen. Das Mahl war karg wegen des Regens - eine Art gepökelter Fisch, Reis, Gemüse und eingelegte Gurken -, aber wir nahmen wohl beide den Geschmack nicht wahr.
    »Vielleicht fragst du dich, worauf mein Hass gegen Iida beruht«, sagte Shigeru. »Ich hatte immer eine persönliche Abneigung gegen ihn wegen seiner Grausamkeit und seiner Hinterhältigkeit. Nach Yaegahara und dem Tod meines Vaters, als meine Onkel die Führung des Clans übernahmen, dachten viele, ich sollte mir das Leben nehmen. Das wäre ehrenhaft gewesen - und für sie eine bequeme Lösung, meine lästige Person loszuwerden. Aber als die Tohan in das bisherige Otoriland einzogen und ich die zerstörerische Auswirkung ihrer Herrschaft auf die einfachen Leute sah, kam ich zu der Überzeugung, dass es lohnender sei, zu leben und Rache zu üben. Ich glaube, der

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