Das Schwert - Thriller
unmaßgeblich abgetan.
»Vielen Dank.« Georgina hatte inzwischen gelernt, dass arabische Männer es Frauen gegenüber oft an Höflichkeit fehlen ließen, auch Ärzte. »Und sie ist nicht meine Schwester. Ich bin vom britischen Konsulat. Samiha ist eine Freundin der Familie des Kindes. Sie hat sie zu mir gebracht, und ich bin mit beiden hierhergekommen.«
Der Arzt sah aus, als wäre er kurz davor zu explodieren. Er richtete seinen Zorn gegen Samiha, blaffte sie auf Arabisch an.
»Wie lange haben Sie gewartet, bis Sie sich entschlossen haben, mit dem Kind zum Arzt zu gehen?«, schnauzte er. »Wir mussten sie an Infusionen hängen und ihr Antibiotika spritzen. Vielleicht überlebt sie nicht. Die Infektion hat sich über 24 Stunden hinweg ungehindert entwickeln können.«
Samiha wehrte sich, versuchte zu erklären, was passiert war, und musste dabei an ihren Lügen festhalten. Sie wusste, wenn sie jetzt sagte, wie es wirklich gewesen war, würde ihr niemand glauben.
Georgina unterbrach den arabischen Wortwechsel.
»Können wir sie sehen?«, fragte sie.
»Auf keinen Fall, aber ich möchte, dass die Eltern herkommen, so schnell wie möglich. Falls das Kind stirbt und sie sind nicht hier, lehne ich jede Verantwortung ab.«
»Sie werden feststellen, dass ich ein Recht habe, das Mädchen zu sehen«, erwiderte Georgina. »Ich bin Konsulatsangestellte, und sie ist eine Bürgerin des United Kingdom.«
»Kommen Sie später wieder. Heute Abend. Die Infektion ist lebensbedrohlich. Wir wissen nicht, ob wir das Kind durchbringen.«
»Vielen Dank. Daran haben Sie keinen Zweifel gelassen.«
»Bevor Sie gehen, melden Sie sich an der Rezeption wegen der Rechnung. Vorläufig ist die Summe von eintausend ägyptischen Pfund zu hinterlegen.«
Georgina erledigte die Zahlung, dann ging sie mit Samiha zurück zum Auto.
»Fahren wir in mein Büro«, sagte sie. »Wir haben noch einiges zu besprechen.«
Die Wachen hatten gewechselt, und niemand hinderte Georgina daran, mit Samiha das Botschaftsgebäude zu betreten. Die konsularische Abteilung war ab 13.30 Uhr für den Publikumsverkehr geschlossen, aber einige Angestellte saßen noch an ihren Schreibtischen. Es gab ein Problem mit den neuen biometrischen Pässen, und sie machten Überstunden, um es zu lösen.
Georginas Büro entpuppte sich als ein Kämmerchen zwischen einer Toilette und einer altertümlichen Klimaanlage. Sie quetschte sich hinter ihren Schreibtisch und weckte ihren Computer aus dem Dämmerschlaf.
»Wenn es Ihnen nicht zu eng ist, nehmen Sie Platz«, meinte sie zu Samiha. »Ich brauche nur einen Moment.«
Samiha, in großer Angst um Naomi, hatte Mühe, ihre Nervosität zu verbergen. Sie zog einen kleinen, prall gepolsterten Stuhl hinter einem Stapel Akten hervor und setzte sich hin. Ihr Magen knurrte, und der viele Kaffee, den sie getrunken hatte, machte sie kribbelig. »Wir wissen nicht, ob wir das Kind durchbringen ...« Die Worte des Arztes gingen ihr nicht aus dem Kopf.
»Können Sie mir sagen, wo genau Naomis Vater sich aufhält?«, fragte Georgina. »Ist er im Lande?«
Samiha überfiel abgrundtiefe Hilflosigkeit. Ihr Lügengebäude geriet ins Wanken.
»Ich weiß nicht, wo er ist.« Sie konnte die Hände nicht stillhalten. In ihrem Kopf summten Angst und Unsicherheit. Naomi musste vielleicht sterben. Sie selbst war entwurzelt und allein in einer fremden Stadt, ohne Geld oder Freunde. Die einzige Botschaft, bei der sie vielleicht Hilfe erwarten konnte, war die Israels, und sie wusste, dort würden sämtliche Alarmglocken schrillen, wenn sie an die Tür klopfte.
»Ich verstehe nicht.« Georgina schaute sie fragend an. »Sie behaupten, Sie sind eine Freundin der Familie, und man hätte Sie gebeten, sich um Naomi zu kümmern, aber jetzt sagen Sie, Sie wüssten nicht, wo der Vater ist?«
Georgina merkte, wie ihre Sympathie für diese Frau sich verflüchtigte. Etwas stimmte hier nicht, und sie wollte herausfinden, was es war. Samiha sagte nicht die Wahrheit oder nicht die ganze Wahrheit.
»Er musste Hals über Kopf abreisen.« Samiha bemühte sich um Plausibilität. »Er hat vergessen, seine Telefonnummer oder eine Adresse zu hinterlassen.«
»Das kann ich kaum glauben.«
»Trotzdem ist es die Wahrheit.«
»Bleiben Sie da sitzen. Wir müssen das klären. Ich werde im Computer nach Professor Goodrich suchen. Wie heißt er mit Vornamen?«
Naomi hatte Samiha gleich zu Anfang ihrer Freundschaft die Namen ihrer Eltern anvertraut.
»Jack«, antwortete sie.
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