Das Schwert - Thriller
dachte, es hätte mit Neujahr zu tun. Vielmehr mit den beiden Neujahren – ausnahmsweise liegen sie in diesem Jahr so dicht zusammen.«
Dschamila schüttelte den Kopf. Sie hatte vergessen, dass Jack erst vor wenigen Tagen von seinem Aufenthalt im Ausland zurückgekehrt und also nicht auf dem neusten Stand der Dinge war. Und Samiha war unten in ihrem Bunker vom Tagesgeschehen abgeschnitten gewesen.
»Die Fahnen haben nichts mit Neujahr zu tun«, erklärte Dschamila. »Nicht in erster Linie. Man hat wegen einer Konferenz geflaggt, die am Freitag beginnt und zufällig mit dem Beginn des neuen Jahres zusammenfällt. Es ist eine internationale Konferenz, und abgehalten wird sie in Giseh.«
Sie schloss für einen Moment die Augen. Das volle Ausmaß dessen, was al-Masri plante, wurde ihr nur langsam bewusst.
»Jack, es handelt sich um ein Gipfeltreffen. Die Staatsoberhäupter von fünfundvierzig Ländern haben ihre Teilnahme zugesagt. Der Präsident der Vereinigten Staaten wird kommen. Euer Premierminister. Der französischePräsident. Unser Präsident Mubarak, selbstredend. Sogar der Premierminister Israels. Der Präsident von Palästina. Es ist eine Friedenskonferenz für den Mittleren Osten. Die Amerikaner haben seit dem Ende des Israelisch-Libanesischen Kriegs 2006 darauf hingearbeitet.«
»Und alle diese Honoratioren sind bereits eingetroffen?«
»Einige sind bereits in Kairo, die übrigen werden morgen eintreffen. Den Gästen zu Ehren will man eine spezielle Weihnachtsfeier nach koptischem Ritus abhalten.«
»Hast du gesagt, die Konferenz findet in Giseh statt?«
Giseh ist ein ausgedehntes Neubaugebiet im Südwesten Kairos. Dahinter erstreckt sich die westliche Wüste. Doch wo die modernen Häuser aufhören, beginnt das Hochplateau von Giseh, der berühmteste Ort Ägyptens und eines der sieben Weltwunder.
Auf einem verhältnismäßig kleinen Areal von etwa zweihundert Hektar drängen sich die drei großen Pyramiden und ihre kleineren Nachbarn, Hunderte von Grabstätten, Totentempeln und Prozessionsstraßen. Dies war einst die große Nekropole des Alten Reichs. Hier steht auch der mächtige Sphinx, »Harmachis, Horus am Horizont, Herr des Sonnenaufgangs, der Stätte des Ersten Geschehens«.
»Nicht in der Stadt Giseh«, berichtigte Dschamila. »Man hat den Bereich der historischen Stätten abgesperrt und eine luxuriöse Zeltstadt errichtet, die als Tagungsort dient. Ein spektakuläres Ambiente. Die wichtigeren Staatsoberhäupter, ihre Ehefrauen und Minister bewohnen die besten Suiten und Zimmer des Mena House Oberon Hotels, mit Blick auf die Pyramiden. Morgen steht die feierliche Eröffnung des neuen ägyptischen Museums auf der Agenda, in Anwesenheit von ausländischen Würdenträgern und den oberen Zehntausend Kairos. Die Leute hätten für eine Einladungihre Großmutter verkauft. Die eigentliche Konferenz beginnt am Freitag mit den üblichen Reden und so weiter auf einem Platz südlich der Pyramiden. Wenn man von dort nach Osten schaut, hat man einen prachtvollen Blick auf den Sphinx. Im Anschluss steht eine umfassende Führung durch die Große Pyramide auf dem Programm, für alle Staatsoberhäupter, die sich dem gewachsen fühlen. Das ganze Spektakel wird weltweit im Fernsehen übertragen.«
Jack hörte, wie Samiha einen erschrockenen Laut ausstieß. Als er sich nach ihr umschaute, war ihr Gesicht kreidebleich, und sie hatte die Hand vor den Mund geschlagen. Ihre Blicke trafen sich.
»Die Pyramiden«, sagte sie. »Der Vater des Schreckens.«
Sie hatten Arabisch gesprochen. Abu al-Hol, der Vater des Schreckens, war ein Beiname des Sphinx.
»Darüber haben sie ständig geredet. Beide, Mohammed und sein Bruder. Die antiken Monumente, die Tempel, die Gräber mit Statuen und Bildern der alten Götter. Für sie war es die heidnische Vergangenheit. Das Zeitalter der Unwissenheit, vor der Ankunft des Propheten. Mohammed sagte, wenn er erst Kalif wäre, würde er dem Beispiel des Propheten folgen und alle Spuren der Götzenverehrung austilgen. Die Pyramiden sollten in den Wüstensand getreten werden, die Grabstätten dem Erdboden gleichgemacht, der Sphinx zerschmettert. Dharratan, dharratan , sagte er.«
Jack übersetzte die Worte ins Englische. »In seine Atome«, sagte er, kaum hörbar. Eine qunbula dharrija , aus derselben sprachlichen Wurzel, war eine Atombombe. Al-Masri hätte seine Absichten nicht deutlicher ausdrücken können.
»Wir müssen die Behörden unterrichten«, bemerkte Dschamila. Ihr Puls
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