Das Schwert - Thriller
auf dem Weg zur Tür.
9
Waffenbrüder
In einem Tunnel tief unter Imbaba hörten Mohammed al-Masri und sein Bruder Raschid, in Sicherheit und auf dem Weg zurück ans Tageslicht, die Explosion. Sie murmelten Gebete. Und während er betete, beschloss al-Masri, dass nun die Zeit gekommen sei, seinen Anspruch auf das Kalifat mit Nachdruck geltend zu machen.
Der Tunnel verlief in südlicher Richtung quer durch den Schari Sudan in den Suhafijn-Bezirk. Dort endete er an einem Ausstieg in einer Bäckerei, deren Besitzer ein enger Vertrauter von al-Masri war. Eine kontrollierte Sprengung ließ den Tunnel von der Mitte her in Richtung Imbaba einstürzen, samt einer darüber gelegenen Zeile schlampig hochgezogener Wohnblöcke.
Salman, der Bäcker, schob die Brüder hastig in einen Lieferwagen und fuhr mit ihnen über den Fluss, ostwärts nach Bulaq, wo die Zelle ein weiteres Versteck unterhielt. Während der Fahrt wandte sich Mohammed an seinen Bruder: »Raschid, ich habe einen wichtigen Auftrag, den du ausführen sollst. Niemand anders darf davon erfahren. Ist das klar?«
Raschid nickte stumm.
»Ich möchte, dass du mir einige Gegenstände beschaffst, die sich im Besitz eines alten Buchhändlers befinden. Der Mann ist ein Gelehrter, ein Scheich, ein frommer Mann. Doch er weiß mehr, als gut für ihn ist. Du hast mich von dem Schwert des Propheten sprechen hören, dem Schwert mit Namen al-Adb. Von Omar Schaltut weiß ich, dass dieser Mann das Schwert in seinem Besitz hat sowie einige andereGegenstände aus derselben Zeit, darunter ein Brief von der Hand des Schreibers des Propheten, gesegnet sei sein Name. Er hat vor, alles an ein Museum zu verkaufen. Daran müssen wir ihn hindern. Dieses Schwert ist das Zeichen, auf das ich gewartet habe. Sobald ich es in den Händen halte, verleiht es mir die wahre Macht eines Kalifen. Bring es mir.«
»Es ist so gut wie getan. Und der alte Mann?«
»Er heißt Mehdi. Mehdi Mussa. Ich werde dir sagen, wo du ihn findest. Töte ihn. Kein Wort von all dem darf an irgendjemandes Ohr dringen, bevor die Zeit nicht reif ist.«
10
Der Tod und das Mädchen
Highway 66, im Norden Israels
Sobald sie den Checkpoint passiert hatten, sollten sie in nordwestlicher Richtung weiterfahren, am Fuß des Karmelgebirges entlang nach Haifa.
Gleich hinter den dichtgedrängten Häusern von Dschenin tauchte der Sicherheitszaun auf, mit dem gelbgestrichenen Tor. Bei Einbruch der Dämmerung hatte man die Beleuchtung eingeschaltet, und der Checkpoint lag als grelle Lichtinsel in der abendlichen Landschaft. Der Fahrer ließ den Wagen im Schritttempo in den schmalen Korridor rollen, der zum Tor führte, hielt auf halber Strecke an, und er und Samiha stiegen aus. Je zwei Angehörige der israelischen Verteidigungsstreitkräfte standen links und rechts auf Wache, junge Männer, einer mit Kippa, die anderen barhaupt. Vier Männer, keine Frauen. Samiha atmete innerlich auf. Ihre Informationen waren demnach korrekt gewesen. Nur weibliche Soldaten durften eine Frau durchsuchen.
Während der Fahrer kontrolliert wurde, zeigte Samiha ihre Papiere vor sowie einen Brief des Misrad Ha’Mischpatem, des israelischen Justizministeriums. Der Brief wies sie als eine vertrauenswürdige Anwältin aus, die in kooperativer Art und Weise verdächtige Palästinenser als Rechtsbeistand vertrat. Die traurige Ironie, dachte sie, bestand darin, dass sie genau das gewesen war: jemand, der Gewalt verabscheute, eine Realistin, die erkannt hatte, dass Zusammenarbeit und gegenseitige Toleranz der Weg in die Zukunft waren, und nicht Selbstmordanschläge.
Der Soldat, dem sie die Papiere ausgehändigt hatte, trat in eine kleine Kabine und telefonierte. Zwei Minuten später kam er wieder und gab ihr die Dokumente zurück.
»Wir haben Anweisung, Sie passieren zu lassen. Der Beamte, mit dem ich gesprochen habe, heißt Mosche Harel. Er wird hier anrufen, um ihr Eintreffen am Ort der Konferenz zu bestätigen und uns Bescheid geben, wenn Sie die Rückfahrt antreten. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Fahrer sich während der ganzen Zeit im Gebäude aufhält.«
Schweigend fuhren sie weiter, und mit jedem Kilometer fühlte sie ihr Leben kürzer werden, wie eine Schnur, von der eine unsichtbare Schere unbarmherzig Stück für Stück abschnitt.
Nicht lange, und sie hatten die Straßenkreuzung bei Megiddo erreicht. Früher war sie oft diese Strecke gefahren, wenn sie palästinensische Gefangene in dem großen Militärgefängnis in der Nähe besuchte. Zu ihrer
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