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Das Schwert - Thriller

Das Schwert - Thriller

Titel: Das Schwert - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hinweg gewachsen, war eine Wohnstatt für Lebende und Tote gleichermaßen. Seit Generationen betteten sich die Wächter der Mausoleen und Schreine, die Familien der Verstorbenen sowie in jüngerer Zeit die unbehausten Armen neben ihren Ahnen zur nicht ganz so ewigen Ruhe.
    Das Taxi setzte sie vor dem Grabmal des Imam al-Schafi’i ab, der im 9. Jahrhundert Gründer eine der vier bedeutenden Schulen des Islam begründet hatte. Dies war einer der heiligsten Orte in Kairo, eine Stätte, zu welcher nur wenige Touristen je den Weg fanden. Jack entlohnte den Fahrer und schaute dem sich entfernenden Wagen hinterher. Bis die Rücklichter in der Dunkelheit verschwanden, hatten seine Augen sich an das nächtliche grausilberne Schattenspiel des Mondes und der erhaben kreisenden Sterne gewöhnt.
    »Wir warten«, sagte Scheherazade. »Erst einmal sehen, ob uns jemand gefolgt ist.«
    Sie bezogen Posten im Schlagschatten des Grabhauses. In der Nähe ertönte Musik: Aus einer Stereoanlage schmachtete Gana el-hawa von Abd al-Halim Hafez. Inmitten des Todes ein Liebeslied: »Love came to us, came to us. Love captured us, captured us ...«
    »Heute Abend findet eine Hochzeit statt«, erklärte Scheherazade, »ein paar Straßen von hier. Der Bräutigam ist Gamal Lufti. Sechzig Jahre alt und ein berüchtigter Lustgreis.Er macht sein Geld mit dem Verkauf runderneuerter Reifen an der Achmad Maher. Ein Geizkragen. Er hat schon drei Frauen, und heute Nacht übergibt man ihm eine weitere Jungfrau zu seinem alleinigen Gebrauch. Sie heißt Chadidscha. Ich kenne sie vom Sehen, sie wohnt ganz in der Nähe. Sie ist vierzehn, wunderschön, und hat in der Frage ihrer Verheiratung so viel Mitspracherecht wie eine Katze in der Tierhandlung bei der Wahl ihres neuen Besitzers. Er hat eine eiserne Gesundheit, also selbst wenn sie ihn überlebt, dürfte sie dann irgendwo in den Dreißigern sein und zu alt, um sich noch einmal gut zu verheiraten.«
    »Die alte Geschichte«, meinte Jack. Ein merkwürdiges Gefühl, solche Gespräche mit einer Person zu führen, der er nicht vorgestellt worden war, deren Gesicht er bisher nicht einmal gesehen hatte.
    Sie warteten eine reichliche halbe Stunde. Ein oder zwei Autos kamen, hielten aber nur an, um Hochzeitsgäste aussteigen zu lassen, und fuhren weiter.
    »Ich wüsste gern deinen richtigen Namen«, meinte Jack. »Mit einer Scheherazade zu sprechen macht ein wenig – befangen.«
    »Dann versuch’s mit Dschamila.«
    »Und wer genau bist du, Dschamila?«
    Sie lachte verhalten.
    »Warte, bis wir in unserem Quartier sind. Ich denke nicht, dass man uns gefolgt ist, was meinst du?«
    »Jedenfalls habe ich nichts Verdächtiges bemerkt.«
    »Wenn das so ist, komm mit.«
    Sie steuerte auf einen schmalen Fußweg an der gegenüberliegenden Straßenseite zu. Sogar eine Straßenbeleuchtung gab es, dank der Stromleitungen, die zusammen mit Wasser und Gas sowie anderen Versorgungseinrichtungen von den Stadtwerken bis in diese Gegend verlegt worden waren. Auf den Friedhöfen im Norden und Süden hatteman Poststellen eingerichtet, Polizeireviere und an den Hauptverkehrsadern Bushaltestellen. Ärzte hatten Kliniken eröffnet und behandelten die Bewohner der Totenstädte. Manche fristeten ihr ganzes Leben hier, andere strebten mit aller Macht danach, dieser Umgebung zu entkommen. Manche waren die legitimen Hüter der Grabstätten, die sie ihr Zuhause nannten, andere hatten notgedrungen bei den Toten Obdach gesucht, nachdem sie aus ihren Behausungen anderswo vertrieben worden waren.
    Auf den Wegen abseits der Hauptstraßen herrschte pechschwarze Finsternis, und Dschamila leuchtete ihnen mit der Taschenlampe durch den Irrgarten der Abkürzungen und schmalen Passagen zwischen den Mausoleen und Grabhäusern.
    Endlich blieb sie vor einem imposanten Portal stehen und öffnete das rostige Tor in der Umfriedung.
    »Dies ist das Grab von Sidi Ibrahim Nur«, erläuterte sie. »Ein überaus bedeutender Sufi. Ein wichtiger Heiliger. Zu seiner Zeit jedenfalls. Bis vor fünfzig Jahren pflegte man Feiern anlässlich seines Geburtstags abzuhalten, heute jedoch verirrt sich kaum noch jemand hierher. Wir können also in aller Ruhe abwarten, bis es Zeit ist.«
    »Zeit? Zeit für was?«
    Sie lachte wieder.
    »Sei nicht so ungeduldig. Du wirst schon sehen.«
    Sie gingen hinein. Dschamila tastete nach einem Lichtschalter an der Wand, und im nächsten Moment flammte an der Decke eine nackte Glühbirne auf. Ihre höchstens dreißig Watt spendeten eben

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