Das Schwert - Thriller
als die erste der unsichtbaren Gestalten ein Streichholz anriss, dann die rote Glut einer Zigarette, die in der Dunkelheit schwebte wie der Mars am nächtlichen Firmament.
Noch einmal rief er seine Frage ins Dunkel, und erneut antwortete ihm nur Schweigen. Er konnte den zweiten Mann leise atmen hören. Gedämpfte Schritte. Er legte sich einen Plan zurecht: den richtigen Moment abwarten, dann an dem ersten Mann vorbeistürmen und so schnell wie möglich zurück zur hell erleuchteten al-Tahrir, um in den Menschenscharen unterzutauchen.
»Wenn ihr Geld wollt«, sagte er laut, »das gebe ich euch freiwillig. Also bleibt ganz ruhig.«
Plötzlich blendete ihn ein grelles Licht; er kniff die Augen zusammen. Einer der Männer leuchtete ihm mit einer Taschenlampe genau ins Gesicht. Als er den Kopf zur Seite wandte, sah er für den Bruchteil einer Sekunde seinen ersten Verfolger, scherenschnittartig vom Lichtstrahl aus der Dunkelheit gerissen, bevor die Taschenlampe gesenkt wurde. Der kurze Moment hatte Jack genügt, um zu sehen, dass der Mann in der rechten Hand ein Messer hielt. Ein Messer mit breiter Klinge. Es war ein großer, kräftiger Mann, auch das hatte er gesehen, und auf der schmalen Straße blieb nicht genug Platz, um an ihm vorbeizulaufen, ohne in die Reichweite seiner Arme oder dieser Klinge zu kommen.
Der Mann mit dem Messer spuckte aus. »Geben Sie uns das Schwert, Professor, und Ihnen geschieht nichts.«
»Ich habe das Schwert nicht.« Jack zeigte seine leeren Hände.
»Dann führen Sie uns dorthin, wo es versteckt ist. Sobald wir es haben, lassen wir Sie gehen. Ihre Tochter ebenfalls. Sie haben mein Wort.«
»Das Wort eines Entführers? Das Wort eines Mörders?«
»Wenn Sie uns das Schwert nicht geben, wird Ihre Tochter eines langsamen, qualvollen Todes sterben. Das verspreche ich Ihnen.«
Während der zweite Mann mit der Taschenlampe leuchtete, tat sein Kumpan einen raschen Schritt nach vorn und ließ das Messer vorschnellen. Jack schlüpfte unter der Klinge hindurch, warf sich wie beim Rugby gegen den Angreifer und riss ihn zu Boden. Die Überrumpelung gelang; der Mann war zu verdutzt, um sich zu wehren. Jack rappelte sich hoch und setzte zum rettenden Spurt an, aber der Mann mit dem Messer, obwohl von dem Sturz benommen, sprang noch schneller auf, das Messer in der Faust.
Ein Schuss hallte zwischen den Mauern. Vor Jacks weit aufgerissenen Augen öffnete sich die Faust des Angreifers, das Messer klirrte auf das Straßenpflaster. Ein krampfhaftes Zittern schüttelte den Körper des Mannes. Die Zigarette fiel ihm aus dem Mund. Blut quoll über die erschlafften Lippen, schwarz und dick im Licht der Taschenlampe, wie Schönschreibtinte. Jack hörte ihn gurgeln, sah, wie er umkippte und sich nicht mehr rührte.
Die Taschenlampe schwenkte im Halbkreis herum und erfasste eine schwarzgekleidete Gestalt, die aus der Gassenmündung gegenüber der Tür zum Vorschein kam. In der Hand des Neuankömmlings schimmerte eine kurzläufige Pistole. Bevor der zweite Angreifer die Lampe wegwerfen und davonlaufen konnte, wurde auch er getroffen:ein einzelner Schuss in den Kopf, unmittelbar gefolgt von dem Coup de Grâce auf den am Boden Liegenden. Jack erkannte den »double tap«, eine von allen Spezialeinheiten weltweit praktizierte Tötungsmethode.
Der Schwarzgekleidete wandte sich an Jack.
»Sind Sie unverletzt?«
Er nickte betäubt. Sprechen konnte er nicht.
»Dann lassen Sie uns von hier verschwinden«, sagte sein Retter, der bereits wieder mit der Dunkelheit verschmolzen war.
»Was hat das zu bedeuten?«, brachte Jack endlich heraus, immer noch verstört und keineswegs beruhigt. »Wer sind Sie?«
»Ich bin Scheherazade«, antwortete die Gestalt. »Die Polizei wird jeden Augenblick kommen. Wir sollten uns beeilen.«
23
In der Stadt der Lebenden und der Toten
Kairo
23.00 Uhr
»Hier entlang, schnell«, flüsterte Scheherazade. Jack gehorchte und gemeinsam hasteten sie zurück zur al-Tahrir.
Als sie sich dem Boulevard näherten, prallte ihnen dessen geballte Lichtflut entgegen. Kairos berühmtes Nachtleben war noch in vollem Gange; viele der Bars und Discos schlossen erst gegen ein oder 2.00 Uhr morgens. Die Hauptstadt Ägyptens hatte nach Jacks Meinung viel eher ein Recht auf den Titel »Die Stadt, die niemals schläft« als New York oder Paris.
Natürlich durfte man annehmen, dass sich hinter dem Namen »Scheherazade« eine Frau verbarg, auch hatte er eben ihre Stimme gehört, trotzdem war Jack
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