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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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dann riss ich ein Stück Stoff aus Erics Leinenhemd und wickelte es um sein Bein. Er stöhnte, als ich es verknotete.
    »Bleib ruhig liegen. Beweg dich nicht.«
    Erik nickte. Schweiß und Tränen hatten helle Linien in das Mehl auf seinem Gesicht gezogen. Draußen vor dem Karren flog die dritte Pfeilsalve durch die Luft. Erik zuckte zusammen, als ihr Summen durch das Tal sirrte. Ich legte ihm eine Hand auf den Arm. »Keine Angst, hier sind wir sicher.«
    Dann sah ich unter den Brettern hindurch. Überall lagen Menschen im Staub oder krochen mit Pfeilen im Körper auf die Weiden zu. Manche riefen nach Hilfe, sowohl nach menschlicher als auch göttlicher, doch die meisten schrien nur ihren Schmerz in den wolkenlosen Himmel. Ich suchte nach Hugo und Diego, konnte sie jedoch nicht entdecken. Was weiter unten, in Richtung des Dorfs geschah, konnte ich nicht erkennen. Der Karren versperrte mir die Sicht.
    Hörner erklangen auf dem Hügel. Das Geräusch, laut und melancholisch wie ein Totengesang, ließ mich erzittern. Erik zog seinen Arm unter meiner Hand weg und hielt sich die Ohren zu. Konrad hob den Kopf, aber der Spalt zwischen Holz und Gras war so schmal, dass er nicht sehen konnte, was sich draußen abspielte.
    »Was ist los?«, fragte er. Ich hörte Angst in seiner Stimme, aber auch Neugier.
    Die Bogenschützen ließen ihre Waffen sinken und wandten sich ab. Ich fasste Hoffnung. Vielleicht hatten uns die Anführer der Soldaten nur zeigen wollen, dass sie mächtiger waren als wir, dass wir uns nicht standesgemäß benommen hatten. Vielleicht war der Überfall nicht mehr gewesen als eine grausame Lektion.
    Doch dann setzten sich die Ritter in Bewegung. Wie eine gleißende Flutwelle aus geschmolzenem Silber ergossen sie sich über den Hügel. Ihre Rüstungen blendeten mich. Das Donnern ihrer Pferdehufe spürte ich bis in den Magen.
    Konrad nahm die Hände von den Ohren. »Sind das die Ritter?«
    »Ja.«
    Er stöhnte auf. Erik schwieg.
    Ich griff hinter mich und zog einen der aufgeplatzten Mehlsäcke heran. Die Ritter trabten auf das Dorf zu, trieben die Menschen, die noch gehen konnten, wie Schafe vor sich her. Sie waren mit langen Schwertern und Schilden bewaffnet. Ich schätzte, dass es kaum mehr als hundert waren, die, in ihren Rüstungen auf gepanzerten Pferden sitzend, nach allen schlugen, die in ihre Nähe kamen. Niemand stellte sich ihnen entgegen. Wer konnte, floh.
    Die Reihe der Ritter wurde breiter. Sie dehnte sich bis zu den Berghängen aus. Fußvolk folgte. Die Soldaten stachen mit Schwertern und Speeren all die ab, die durch die Reihe geschlüpft waren.
    Der Drang zu fliehen war beinahe übermächtig. Ich wollte Konrad bei der Hand nehmen, aufspringen und loslaufen, nur weg von den Männern mit ihren Klingen. Doch ich zwang mich, einen Sack nach dem anderen in den Spalt vor Erik und mir zu schieben. Unter diesem Karren würden wir vielleicht überleben, dort draußen mit Sicherheit nicht.
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Konrad nach vorn kroch und begann, die andere Seite mit Säcken zu versperren. Nach und nach wurde es dunkel unter dem Karren. Durch den Spalt, der schließlich übrig blieb, konnte ich kaum noch etwas sehen. Aber ich hörte die Schreie und Rufe, das Schlagen von Metall, das Wiehern der Pferde und ab und zu – unvorstellbar – Gelächter.
    Die stickige, von Mehl durchzogene Luft reizte meine Kehle. Ich warf einen Blick auf Erik, der reglos neben mir lag. Seine Lider flatterten. Er schien mich kaum noch wahrzunehmen.
    »Erik.« Ich berührte ihn an der Schulter.
    Er öffnete die Augen. »Ich …«, begann er.
    Das Wiehern eines Pferdes unterbrach ihn. Es klang erschreckend nahe. Ich wandte den Blick und sah durch den Spalt nach draußen.
    Ein Pferdehuf stampfte vor mir auf. Mehl wallte empor.
    Ich biss mir auf die Lippen. Hinter mir legte Konrad Erik eine Hand auf den Mund.
    Das Pferd stand unmittelbar neben dem Karren. Ich sah seine Läufe und die eisernen Stiefel des Ritters in ihren Steigbügeln. Leder knirschte. Ich stellte mir vor, wie sich der Mann im Sattel aufrichtete, vielleicht zum Dorf hinuntersah. Sein Kettenhemd klirrte bei jeder Bewegung.
    Dann bewegte sich der Fuß im Steigbügel. Der Ritter stieg ab. Schwerfällig machte er einen Schritt auf den Karren zu. Ich wich zurück, obwohl ich sicher war, dass er mich nicht sehen konnte. Der Spalt war viel zu schmal.
    Der Ritter hustete. Seine Stiefel verschwanden aus meinem Sichtfeld. Das Klirren seiner Rüstung wurde leiser,

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