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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zweites fiel ein, dann ein drittes. Dumpfer, grollender Donner mischte sich in diesen Laut. Ich war nicht die Einzige, die in den wolkenlosen Himmel sah.
    Etwas schob sich über die Hügelkuppe. Es war so breit, dass es das ganze Tal ausfüllte, und glitzerte und glänzte wie Wasser in der Morgensonne. Der Anblick blendete mich, alles verschwamm zu einem gleißenden Funkeln. So muss es sein, wenn man dem Heiland selbst ins Gesicht blickt.
    Der Lichtschein kam näher. Ich blinzelte, als er in Dutzende kleinerer zu zerfallen schien und ich auf einmal Helme und Brustplatten erkannte. Das waren keine göttlichen Gestalten. Das waren Ritter.
    Sie hielten an. Das Donnern der Pferdehufe erstarb. Zwischen den gewaltigen Schlachtrössern tauchten Bogenschützen auf, bildeten Reihen vor den Rittern. Es waren viele, weit mehr als hundert.
    Um mich herum brach plötzlich Panik aus. Der Kreuzzug fächerte auf. Menschen verließen die Straße, liefen hinein in die Weiden, auf Unterstände und Scheunen zu. Kinder schrien. Ich ergriff Konrads und Eriks Hand und zog die Jungen hinter mir her. Das Kalb wurde mitgerissen und muhte laut.
    »Lena, komm!«, rief ich, als ich sie mit offenem Mund und auf den Hügel gerichteten Blick auf der Straße stehen sah. Sie war von dem Glitzern ebenso beeindruckt wie die anderen. Zögernd folgte sie mir.
    Ich drehte den Kopf, rief nach Hugo, entdeckte ihn jedoch nirgends. Mein Blick blieb an Diego hängen. Er war von seinem Pferd gestiegen und hielt Nicolaus fest, der sich aus seinem Griff zu winden versuchte. Lukas lief auf beide zu, dicht gefolgt von einigen Brüdern. Sein Gesicht war gerötet, er schien Diego anzuschreien.
    Dann hörte ich das Summen. Wie ein gewaltiger Bienenschwarm erfüllte es die Luft. Ich ahnte, von was es stammte. Unwillkürlich presste ich Konrad und Erik an mich.
    Der erste Pfeil bohrte sich neben meinem Fuß in den Staub. Ich hörte dumpfe Einschläge wie Fausthiebe in Stoffballen, dann Schreie, dutzendfach, hundertfach. Menschen brachen zusammen, wanden sich am Boden. Ein Mädchen taumelte an mir vorbei. In seinem Kopf steckte ein Pfeil.
    »Hugo!« Mein Ruf ging im Lärm unter.
    Menschen prallten gegen mich. Ich wurde beinahe umgerissen, als ich versuchte, Konrad und Erik aus der Menge hinauszuführen. Ein Karren donnerte an mir vorbei auf die Wiese, gezogen von Ochsen mit angstgeweiteten Augen, in deren Rücken Pfeile steckten. Wagenräder prallten gegen Steine und zerbrachen, der Karren wurde umgeworfen. Holz splitterte, Mehlsäcke platzten und schleuderten eine Wolke aus dunklem Mehl in die Luft. Die Deichsel brach, dann blieb der Karren liegen. Die aneinandergeketteten Ochsen galoppierten durch das Gras. Ein kleines Kind verschwand unter ihren Hufen.
    Ich zog Konrad und Erik weiter. Auf dem Hügel griffen die Bogenschützen in ihre Köcher, bereiteten sich auf die nächste Salve vor.
    Konrads Finger bohrten sich in meine Hand. »Mama!«
    Ich fuhr herum. Das Kalb, das er und Erik gefangen hatten, lag tot im Staub, zwei Pfeile steckten in seinem Leib.
    »Lass es los«, schrie ich.
    Konrad schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
    Erst in diesem Moment sah ich, dass er den Strick, an dem das Kalb hing, mehrfach um sein Handgelenk gewickelt und verknotet hatte. Er riss daran, kam jedoch nicht frei.
    Ich ließ Erik los. Der Junge klammerte sich an meinen Arm und schluchzte.
    »Versteck dich unter dem Karren, Erik!«
    Er gehorchte erst, als ich ihn mit dem Fuß wegstieß.
    Ich zog das Messer aus dem Gürtel. Die rostige Klinge glitt von dem Strick um Konrads Handgelenk ab. Ich versuchte es erneut. Konrad hielt den Strick straff, achtete aber mehr auf die Bogenschützen als auf das Messer.
    »Sie haben die Pfeile in der Hand«, sagte er. Eine Faser des Stricks löste sich.
    »Verteilt euch!« Ich zuckte zusammen, als ein Soldat plötzlich neben mir sein Pferd zügelte. »Nicht zurück zum Dorf!«, schrie er. »Greift an, stürmt den Hügel!« Er hob das Schwert und rammte seinem Pferd die Fersen in die Flanken.
    »Warte!«, rief ich, aber er schien mich nicht zu hören. Sein Pferd sprang durch das Chaos aus Menschen und Karren, wieherte und strauchelte. Keinen Steinwurf von mir entfernt stürzte der Soldat. Kinder stoben auseinander, ängstlich und verwirrt.
    Die nächste Faser riss. Ich warf einen Blick zurück zum Dorf. Immer mehr Menschen drängten sich dort. Kreuzfahrer rückten nach, die nicht wussten, was sie erwartete, während andere verzweifelt versuchten,

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