Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
heißt all seine Kinder an seinem Tisch willkommen, auch ihr lebt in seiner Gnade. Kommt und esst mit uns.«
    Die anderen Mönche schienen seine Begeisterung nicht zu teilen. Viele wichen zurück.
    Langsam, so als befürchteten sie eine Falle, humpelten uns die Aussätzigen entgegen. Ich sah Arm- und Beinstümpfe, Füße ohne Zehen, Hände ohne Finger, blinde Augen. Verwesungsgestank breitete sich aus, einer der Mönche würgte. Auf der ganzen Welt konnte es keine schlimmere Gottesstrafe geben als den Aussatz. Welch schreckliche Dinge diese Menschen getan haben mussten.
    Diego stand auf und streckte mir die Hand entgegen. Ohne nachzudenken, ergriff ich sie. Der Anblick der Aussätzigen verstörte mich.
    »Wir danken euch für eure Gastfreundschaft«, sagte Diego, während er bereits nach den Zügeln seines Pferdes griff. »Geht mit Gott.«
    Johannes beachtete uns nicht mehr. Lächelnd ging er auf die Aussätzigen zu und umarmte eine alte Frau, die nur einen Fuß hatte. Sie wollte zurückweichen, aber er ließ es nicht zu. Die Glocken an ihren Ärmeln klingelten.
    »Komm, Schwester«, sagte Johannes, als er die Umarmung löste. »Wir haben Brot, Käse und das Wort des Herrn. Teilt es mit uns.«
    Ich stieg auf mein Pferd, folgte Diego, der einen Bogen um die Gruppe machte und zur Straße zurückritt. Ich drehte mich noch einmal nach den Mönchen um.
    Die Aussätzigen nahmen schwerfällig an ihrem Feuer Platz. Johannes entkorkte einen Weinschlauch, trank daraus und reichte ihn weiter.
    Als wir die Straße erreichten, schüttelte sich Diego. Ohne dass ich es bemerkt hatte, ritten wir auf einmal nebeneinander.
    »Aussatz ist eine widerwärtige Krankheit«, sagte er.
    »Ist das der Grund, aus dem du für die Sarazenen spionierst?«, fragte ich.
    Diego runzelte die Stirn. »Wegen Aussatz?«
    »Wegen Christen, die ihr Mahl eher mit Aussätzigen teilen als mit Juden.«
    »Ja.« Er schwieg einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich tue es, damit es nicht überall so wird, damit die Christen nicht wieder in Jerusalem einfallen. Es ist so anders dort. Die Sarazenen behandeln uns mit Respekt. Es war nicht immer so, dafür müssen wir den Christen danken. Hätten sie Jerusalem nicht überfallen und hätten die Sarazenen nicht erlebt, wie Juden Seite an Seite mit ihnen kämpften, wäre es vielleicht anders gekommen. Heutzutage aber würde dort niemand auf die Idee kommen, so etwas …«, er zeigte auf sein Brandmal, »… zu tun. Und ich möchte, dass es so bleibt.«
    »Christen fallen nicht irgendwo ein.« Der Gedanke erschien mir lächerlich. Wir versuchten doch nur das zurückzuholen, was die Heiden uns genommen hatten.
    »Du hast sie nicht erlebt, und hoffentlich wirst du das auch nie.« Er klang beinahe verbittert.
    Ich aber wurde wütend. »Wenn du uns so sehr verabscheust, wieso hast du dich Nicolaus angeschlossen?«
    Diego hob die Schultern. »Um unterzutauchen. Die Truppen des Papstes waren mir auf der Spur. Außerdem war dieser Kreuzzug …« Er unterbrach sich. »So seltsam es klingt, aber Johannes hat recht. Der Kreuzzug war das erste Schöne, was ich im Christenreich gesehen habe.« Diego schwieg einen Moment, dann räusperte er sich. »Außer den Kirchen. Ihr baut fantastische Kirchen.«
    Es sollte wohl wie ein Scherz klingen, aber das tat es nicht. Diego wollte offenbar nicht eingestehen, dass Nicolaus ihn berührt hatte, so wie uns alle. Es passte nicht zu der Überlegenheit, mit der er so gern auf uns herabblickte.
    Meine Gedanken kehrten zu dem Tag in Köln zurück und den Worten, die ich dort von einem mageren Jungen mit Schäferstab gehört hatte.
    »Aber es blieb nicht schön«, sagte ich leise. »Es wurde schrecklich.«
    »Ja, aber du warst da.«
    Und da war es, das Netz, das ich erwartet hatte. Ich zügelte mein Pferd. »Reite vor. Ich will nicht mit dir reden.«
    Diego drehte sich zu mir um. »Was? Aber was habe ich …?«
    Ich kniff die Lippen fest aufeinander. Nach einem Moment ritt er weiter. Ich folgte ihm mit zwei Pferdelängen Abstand. Es war besser so.

Kapitel 27
    Nach dem nächsten Dorf verließen wir die große Straße und bogen nach Westen auf eine kleinere ab. Sie schlängelte sich durch Obsthaine, aus denen Diego Früchte stahl, die ich noch nie gesehen hatte. Sie waren orange und schmeckten säuerlich.
    Wir sprachen nur das Nötigste miteinander. Ab und zu versuchte Diego eine Unterhaltung zu beginnen, aber ich antwortete so einsilbig, dass er nach kurzer Zeit aufgab.
    Gegen Abend

Weitere Kostenlose Bücher