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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Schlüssel?«
    »Das ist zu gefährlich.« Diego machte eine Pause und presste die Lippen zusammen. Das Reden bereitete ihm Schmerzen. »Wenn sie aufwachen, bringen sie uns beide um.«
    Das Schloss klickte. Diego griff danach, doch zu langsam – es polterte zu Boden. Ich hörte, wie Stummer scharf die Luft einzog. Er hob den Kopf. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen.
    Stummer schien sich aufrichten zu wollen. Mit einem Arm stützte er sich auf dem Boden ab, mit dem anderen auf dem Weinfass. Eine Handbreit kam er hoch, bevor er wieder nach unten sackte. Sein Kopf pendelte vor und zurück. Schließlich lehnte er ihn an das Wagenrad und saß still. Seine Atemzüge wurden gleichmäßiger.
    Ich nickte Diego zu.
    Er befreite sich rasch von seinen Ketten und legte sie einge wickelt in den Stoff auf den Boden. Mir fiel auf, dass er barfuß war. Die Soldaten hatten ihm wohl die Stiefel gestohlen. Auch seine Lederkleidung war verschwunden; er trug nur noch ein blutverschmiertes zerrissenes Hemd und schmutzige Beinlinge.
    »Dreh das Schloss zu mir«, flüsterte er.
    Ich hielt es fest, während er mit dem Messer darin stocherte. Seine Bewegungen wirkten ungeschickt, beinahe linkisch, aber nach wenigen Atemzügen sprang das Schloss auf.
    Ich zog es heraus, dann ließen wir die Kette langsam auf die Ladefläche sinken. Das Klirren des Metalls schien über das Land zu hallen. Trotzdem regten sich die Soldaten nicht.
    Diego kletterte aus dem Käfig und sprang zu Boden. Seine Beine gaben unter ihm nach, und er wäre gestürzt, wenn ich ihn nicht festgehalten hätte. Er roch nach Schweiß und Blut und nach dem Abend im Kloster. Ich ließ ihn los.
    Diego massierte sich die Beine. In einer Sprache, die ich nicht verstand, fluchte er leise. Dann, so schnell, dass ich kaum begriff, was geschah, trat er einen Schritt zur Seite, drückte mit einer Hand Stummers Kopf gegen das Wagenrad und schnitt ihm mit dem Messer in der anderen die Kehle durch.
    Blut spritzte aus der Wunde, die Beine des Soldaten zuckten, seine Hand rutschte in das Weinfass. Es roch nach Urin.
    Diego hielt Stummers Kopf fest, bis sich der Mann nicht mehr regte, dann ließ er ihn auf die Brust fallen und drehte sich um. Im Feuerschein sah ich den Blick, den er den Schlafenden zuwarf.
    »Nein.« Ich legte meine Hand auf seinen Arm, versuchte ihn nach unten zu drücken. »Lass sie leben.«
    »Sie wissen, wie ich aussehe.« Er wandte mir seine Wange zu. »Wie ich jetzt aussehe.«
    Ich schluckte, ließ seinen Arm aber nicht los. »Wenn du nur einen Schritt auf sie zumachst, schreie ich.«
    »Warum kümmern sie dich?«
    »Sie sollen nicht wegen mir sterben.«
    Diego zögerte, dann senkte er langsam den Arm. »Ich verstehe.«
    Ich war mir nicht sicher, ob das stimmte.
    Wir legten uns Sättel und Taschen über die Schulter und banden die Pferde los. Ihre Hufe waren im Gras fast nicht zu hören, trotzdem führten wir sie an den Zügeln in die Dunkelheit, bis das Lagerfeuer hinter uns nicht mehr zu sehen war. Erst dann sattelten wir sie und saßen auf.
    Schweigend ritten wir durch die Nacht. Die Straße war breit, das Mondlicht hell. Ich blieb hinter Diego. Nach einer Weile drehte er sich im Sattel um.
    »Wo ist der Rest des Kreuzzugs?«, fragte er.
    »Auf dem Weg nach Genua.«
    »Warum bist du nicht dort?«
    »Wir wurden getrennt.« Ich wollte nicht mit ihm reden. Er war ein Feind der Christenheit, aber ich ahnte, dass ich ihm selbst das vergeben würde, wenn ich mich in das Netz, das er aus Worten spinnen konnte, einweben ließ.
    »Habt ihr die Alpen gut überwunden?«
    »Ich weiß es nicht.« Ich machte eine Pause. »Erik ist tot.«
    »Das tut mir leid.« Diego wartete. »Willst du nicht wissen, wie es mir ergangen ist?«, fragte er, als ich schwieg.
    »Nein.«
    Er drehte sich zurück und schüttelte den Kopf. Den Rest der Nacht sprachen wir kein Wort mehr miteinander.
    Als die Sonne aufging, hörte ich den Gesang. Männerstimmen lobten den Herrn und priesen seine Schöpfung mit solcher Freude, dass man glauben konnte, sie allein hätten die Sonne an diesem Morgen hervorgebracht. Der Rauch eines kleinen Feuers stieg über Bäumen auf. Ich sah Gestalten hinter den Stämmen. Sie winkten uns zu.
    Diego zügelte sein Pferd und wartete, bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte. »Wenn sie fragen«, sagte er, »sind wir Mann und Frau. Man hat uns überfallen.«
    Ich wollte widersprechen, aber er ritt bereits voraus.
    Hinter dem Straßengraben, auf einer Lichtung neben einem Bach, kniete

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