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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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begann es zu regnen. Wir fanden einen Hof, dessen Bauer uns erlaubte, in seiner Scheune zu übernachten. Dank der Kräuterkruste konnte er Diegos Brandmal nicht erkennen.
    Ich ließ mich in das weiche Stroh fallen und betrachtete den Staub, der im Abendlicht, das durch die Ritzen fiel, tanzte.
    Diego hielt sich fern von mir. Mit gekreuzten Beinen saß er an einer Wand, öffnete seine Satteltasche und zog ein in dünnes Leder eingeschlagenes Paket heraus. Mit einer Hand säuberte er den Boden von Stroh und Schmutz, dann legte er das Paket da rauf und faltete das Leder auseinander.
    Ich stützte den Kopf auf eine Hand, den Arm angewinkelt, und sah ihm zu. Er wirkte in sich versunken, fast schon ehrfürchtig.
    Was ist das?, wollte ich ihn fragen, verbiss es mir aber im letzten Moment.
    In dem Paket befanden sich eng beschriebene Pergament seiten. Diego zog eine hervor, hielt sie ins Licht und begann zu lesen. Enttäuscht legte ich mich zurück ins Stroh und schloss die Augen.
    »Was auf diesen Seiten steht«, sagte Diego, als ich beinahe eingeschlafen war, »ist älter als die Evangelien und das Römische Reich. Als es geschrieben wurde, war die Welt noch eine andere.«
    Ich drehte mich auf die Seite und stopfte Stroh unter meinen Kopf.
    »Die Kirche bestraft den Besitz dieser Seiten mit dem Tod.«
    Mit einem Ruck setzte ich mich auf. »Wieso trägst du sie dann mit dir herum?«
    »Weil ich sie einem reichen Mann in Köln versprochen hatte, der mir dafür Informationen über Pläne gegen die Sarazenen geben wollte. Leider wurde ich bereits verfolgt und konnte ihn nicht treffen.«
    »Dann wirf sie weg. Wenn die Kirche sie verbietet, müssen sie gefährlich sein.«
    Er hob die Seiten hoch, zeigte sie mir. »Es ist nur eine Geschichte. Was soll daran gefährlich sein?«
    »Du weißt nicht alles, Diego. Vielleicht verwirrt sie den Geist.«
    »Das glaube ich nicht.« Er legte alle Seiten bis auf eine zurück in das Paket. Diese eine hielt er schräg ins Licht. Draußen wurde der Regen stärker. Langsam und stockend begann er die Worte, die darauf standen, zu übersetzen.
    »Lass das«, sagte ich. »Mich interessiert nicht, was dort steht.«
    »Du solltest es dir anhören. Vielleicht bemerkst du ja eine Gefahr, die mir entgeht.«
    »Oder es verwirrt uns beide.« Das Wissen, etwas zu hören, das mit dem Tode bestraft werden konnte, war unheimlich. Tief grub ich mich in das Stroh ein. Diegos Stimme wurde leiser, doch ganz verschwand sie nicht.
    Ich kniff die Augenlider zusammen und versuchte an etwas anderes zu denken, nicht auf das zu achten, was dem Mann in der Geschichte zustieß. Er war König eines Reichs, von dem ich noch nie gehört hatte, aber er konnte dort nicht bleiben, musste auf eine lange Reise voller Gefahren gehen.
    Sein Schicksal berührte etwas in mir, erschien mir vertraut.
    Ich schüttelte den Kopf, um die Worte zu vertreiben, aber wie lästige Mücken kehrten sie immer wieder zurück. Bis in den Schlaf verfolgten sie mich.
    Als ich erwachte, hatte es aufgehört zu regnen. Wir aßen mit der Bauernfamilie und brachen auf. Diego ritt vor, ich folgte ihm, so wie am Tag zuvor.
    Er versuchte nicht mehr, sich mit mir zu unterhalten. Es war fast schon enttäuschend.
    Der Tag verging in quälender Langeweile. An einer Kreuzung fragte Diego einen Mann nach dem Weg. Er schickte uns nach Süden, aber die Straße knickte schon bald in westliche Richtung ab.
    »Ist das gut?«, fragte ich.
    Diego nickte.
    Das war die einzige Unterhaltung, die wir an diesem Tag führten.
    Die Nacht verbrachten wir auf einer Lichtung in der Nähe der Straße. Diego las aus den Seiten vor, ich tat so, als würde ich schlafen. Die Geschichte war spannend.
    Der König aus dem fremden Land begegnete grausamen Ungeheuern und bestand viele Gefahren. Beinahe hätte ich Diego gefragt, ob das alles wirklich geschehen war, doch im letzten Moment verbot ich es mir.
    Er sollte nicht wissen, dass ich zuhörte.
    Die Tage reihten sich aneinander, eintönig und öde. Wir ließen die Ebene hinter uns und gelangten in ein bergiges Land. Die Straße wurde schmaler, und die einzigen Menschen, die wir sahen, waren Hirten mit großen Ziegenherden. Sie verkauften uns Milch und Käse, einmal sogar Fleisch, das wir abends mit Zwiebeln über dem Feuer brieten.
    Ich begann mich auf die Nächte zu freuen. Diego hatte die Angewohnheit, die Geschichte an den spannendsten Stellen abzubrechen und sich schlafen zu legen, doch das störte mich nicht. So konnte ich den

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