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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Käse aßen. Der Anführer hieß Johannes und war der Sohn eines Herzogs, so wie auch die anderen von hohem Stand waren. Sie alle hatten ihr Leben hinter den sicheren Mauern eines Benediktinerklosters bei Bozen verbracht, bis der Ruf , wie sie es nannten, sie ereilte.
    »Reisende«, sagte Johannes, »erzählten uns von diesen Kindern, die aufgebrochen sind, um das Heilige Land zu befreien. Ein Kreuzzug der Unschuldigen, der Armen, der Krüppel, angeführt von einem Schäfer mit dem Mal eines Kreuzes auf der Brust. Habt ihr je etwas Schöneres gehört?«
    Diego warf mir einen warnenden Blick zu. Ich schwieg.
    »Als wir davon erfuhren, fühlten wir uns, als seien wir blind gewesen und sähen zum ersten Mal das Licht der Sonne. Diese Kinder in ihren Lumpen sind die wahre Kirche, nicht die Bischöfe, Kardinäle und Päpste. Wir zogen unsere Gewänder aus und kehrten dem Orden den Rücken.«
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Magnus aus dem Wald zurückkam. Er setzte sich ans Feuer und begann eine Handvoll Kräuter mit einem Stein in einer Schale zu zerstampfen. Der Unterhaltung schenkte er keine Beachtung.
    »Und jetzt zieht ihr durchs Land?«, fragte Diego.
    Johannes nickte. »Zuerst waren wir beim Orden der Minderen Brüder und sprachen mit Franz von Assisi. Er regte uns dazu an, Armut wirklich zu erleben, um in Leid und Buße zu Gott zu finden. Das tun wir seitdem jeden Tag. Wir leben von dem, was man uns gibt, und teilen alles mit denen, die weniger haben als wir. Arme, Ausgestoßene, Verkrüppelte, alle sind uns willkommen.«
    »Aber keine Juden«, sagte Diego ruhig.
    Die Mönche lachten. Johannes schüttelte den Kopf. »Die Mörder des Herrn sind keinem anständigen Christen willkommen. Ich hoffe, du bist nicht noch immer böse über die Verwechslung.«
    »Wohin seid ihr jetzt unterwegs?«
    Magnus schüttete ein wenig verdünnten Wein in die Kräuter, spuckte hinein und rührte alles um, dann stand er auf und ging neben Diego in die Hocke. Der sah ihn mit sichtlichem Misstrauen an.
    »Ich weiß, was ich tue«, sagte Magnus. Mit einem Blatt gab er die zähe Flüssigkeit auf die Wunde. Diego zuckte, ließ ihn dann aber mit zusammengepressten Lippen gewähren.
    »Wir wollen nach Florenz, um den Papst zu treffen. Es gibt noch andere, die unsere Sicht der Kirche vertreten. Wir müssen uns von Prunk und Gold abwenden, so wie es Christus getan hat. Darin liegt das Heil. Wenn Seine Heiligkeit sich unsere Erlebnisse anhört, wird er es auch so sehen, daran glauben wir fest.«
    Ich dachte an die Ringe an den Fingern des Kardinals, an die Marmorfußböden im Palast und die Gewänder aus Seide. »Ich werde für euch beten«, sagte ich.
    Johannes lächelte.
    Magnus stellte die Holzschale mit der Flüssigkeit beiseite. Eine grüngraue Schicht bedeckte Diegos Wange. »Lass es drauf, bis es von selbst abfällt. Meide schwere Speisen und alles, was im Wasser lebt. Dann wird die Wunde rasch heilen.«
    »Danke.«
    »Danke dem Herrn, der mir diese Gabe verliehen hat.« Magnus stutzte und neigte den Kopf. »Hört ihr das?«
    »Was?«, fragte einer der Männer.
    Im gleichen Moment hörte ich es ebenfalls. Ein rasselndes, knirschendes Geräusch, begleitet von einem merkwürdigen Klingeln. Es kam näher.
    Johannes stand auf. »Da sind Menschen auf der Straße.«
    Ich sah sie zwischen den Bäumen. In schmutzige Lumpen gehüllt, die Gesichter unter Kapuzen verborgen, kamen sie auf uns zu.
    Etwas erschien mir seltsam an ihnen. Erst nach einem Augenblick wurde mir klar, dass fast alle humpelten. Die meisten zogen sich auf Krücken die Straße entlang. Einige waren mit Stricken an ihrem Vordermann festgebunden oder hatten ihm die Hand auf die Schulter gelegt. Diejenigen, die keine Krücken benötigten, hielten Rasseln, die unablässig schwangen. Kleine Glocken hingen an ihrer Kleidung.
    »Aussätzige«, sagte Magnus.
    Ein Eisklumpen schien in meinen Magen zu fallen. Nur einmal in meinem Leben, als Kind, war ich Aussätzigen begegnet. Sie hatten vor unserem Dorf um Essen gebettelt, bis die Männer Steine nach ihnen geworfen und sie vertrieben hatten. Nächtelang hatte ich von ihnen geträumt.
    Johannes sprang auf. »Freunde! Seid willkommen! Setzt euch an unser Feuer.« Er wiederholte den Gruß auf Italienisch.
    Die Aussätzigen schienen nicht zu begreifen, dass sie gemeint waren. Sie schlurften weiter, blieben erst stehen, als er sie noch einmal anrief. Die Rasseln und Glocken verstummten.
    »Kommt!« Johannes winkte sie heran. »Der Herr

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