Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Mal versuchen. Wir haben noch nicht in jedem Zelt nachgesehen.«
Ich wusste, dass er das Gesicht verzog, auch wenn ich es nicht sehen konnte. Doch dann bewegte sich sein Helm, und er nickte. »Also gut.«
Wir schlugen andere Wege ein als zuvor, um nicht an denselben Männern vorbeizugehen. Ich achtete auf jede Bewegung, aber keiner der Jungen, die ich entdeckte, war Hugo.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, ich entzog mich Diegos Griff und hielt einen jungen Sklaven an. »Hugo?«, fragte ich. »Kennst du Hugo?«
Er sah mich verständnislos an und ging weiter. Ein anderer, der am Boden saß und einen Ledergürtel einfettete, schüttelte den Kopf, als ich die Frage wiederholte.
Diego zog mich am Arm zurück. »Hör auf!«, sagte er leise. »Wenn man uns erwischt, wirst du deine Söhne nie wiedersehen.«
»Wenn wir hier herumstehen, auch nicht. Hugo muss irgendwo hier sein.«
Mein Blick fiel auf eine Gruppe Sklaven, die in einem Erdloch hockten. Sie kochten etwas in einem Topf auf einer winzigen Feuerstelle.
Ich ging zu ihnen und hockte mich hin. »Hugo?«, fragte ich. »Wisst ihr, wer das ist?«
Die Jungen verstanden mich nicht.
»Hugo«, wiederholte ich langsam.
Aus den Augenwinkeln sah ich einen Ritter, der sein Pferd vor einem Zelt zügelte. Einer der Jungen sprang auf und lief zu ihm. Der Mann öffnete sein Visier und klopfte sich den Staub vom Waffenrock. Er warf einen Blick auf mich, stutzte, wurde dann jedoch von dem Sklaven abgelenkt, der ihn begrüßte und in das Zelt führte.
»Hugo?« Einer der Jungen wiederholte den Namen, während er mit einem Messer in der dünnen Suppe herumstocherte.
»Ja, Hugo«, sagte ich.
Der Junge zeigte in die Ferne, dorthin, wo der Rauch über den Mauern hing. »Hugo.«
Diego folgte mir aus dem Lager. Wir gingen der Stadt entgegen. Der Boden war aufgewühlt und schlammig, Wasser stand in breiten Furchen. Ein Karren voll mit stöhnenden und schreienden Verwundeten rumpelte an uns vorbei. Die meisten hatten aufgeplatzte rote Gesichter und wanden sich vor Schmerzen. Kochendes Wasser hatte sie verbrüht.
Ein Stück entfernt füllten Bogenschützen ihre Köcher mit Pfeilen auf. Ein Soldat in Lederrüstung gab ihnen Anweisungen. Die Männer schienen ihm nicht zuzuhören.
Als wir näher an die Stadt herankamen, sah ich, dass das Tor an einigen Stellen aufgeplatzt war. Dahinter hörte ich Hämmern und Sägen und laute, fremd klingende Gesänge. Die Bewohner gaben nicht auf.
Die Belagerung hatte das Tal, durch das wir gingen, verwüstet. Baumstümpfe ragten aus dem Boden, vereinzelt sah ich kahle Sträucher. Nur ein Baum war stehen geblieben. Von seinen Ästen hingen fünf Männer an Stricken, deren Leichen sich in der Brise wie große Blätter wiegten.
»Deserteure«, sagte Diego. Ich musste ihn fragen, was das Wort bedeutete.
Ich entdeckte keine Sklaven zwischen den Soldaten. So nahe an der Stadt gab es kein Lager, in dem man sie hätte gebrauchen können. Männer warfen mir neugierige Blicke zu, doch niemand hielt mich auf; der Ritter an meiner Seite schüchterte sie ein.
Vor dem Stadttor wurden Soldaten zusammengetrieben. Der Rammbock, nass von Blut und Wasser, lag zwischen ihnen am Boden. Es krachte laut, als ein weiterer Felsbrocken in die Mauer einschlug. Dieses Mal brach ein großes Stück heraus.
»Vielleicht muss Hugo Steine für das Katapult holen«, sagte ich.
Diego hob die Schultern. Er schien nicht mehr daran zu glauben, dass wir ihn finden würden.
Doch dann, nur einen Atemzug später, streckte er plötzlich die Hand aus. »Da ist er!«
Hugo stand neben dem Rammbock. Er trug einen viel zu kleinen Helm und eine Schürze aus speckigem Leder, die ihm bis über die Knie fiel. An seinem Gürtel hing ein Schwert.
Er war Soldat.
Gemeinsam mit den anderen Männern, die meisten davon weit älter als er, wuchtete er den Rammbock hoch. Ein Ritter schrie Befehle, wies mit seinem Schwert auf das Stadttor. Auf der Mauer darüber hing ein Kessel, aus dem Dampf stieg.
Nein, dachte ich. Großer Gott, nein.
»Los!«, brüllte der Ritter. »Im Namen Jesu Christi!«
Die Soldaten begannen zu laufen. Ich rannte. Diego rief mir etwas hinterher, aber ich beachtete ihn nicht.
Hugo hielt den Rammbock mit beiden Händen fest, hing über ihm wie ein Schreiner, der ein Brett poliert. Die Soldaten fanden einen gemeinsamen Rhythmus. Ihre nackten Füße gruben sich bei jedem Schritt tief in den Schlamm.
Die Verteidiger auf dem Stadttor zeigten auf sie. Bogenschützen
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