Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Christin, Weib?«
Ich senkte den Blick. »Ja, Herr.«
»Und du reist in der Gesellschaft eines Juden?« Die Frage klang neutral, aber ich ahnte, dass er mich mit ihr in eine Falle locken würde, so wie er es bei den Soldaten getan hatte. Ich wollte nicht der Belustigung der Menge dienen.
»Wird man dafür in Antioch bestraft, Herr?«, fragte ich zurück. Neben mir räusperte sich Diego leise und warnend.
»Nein.«
»Dann möchten wir Eure Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Herr. Ihr seid ein wichtiger Mann, der sicher Besseres zu tun hat.«
Mein Herz klopfte, de Poitiers musterte mich. Die Menge wurde still.
Dann lächelte er. Er hatte seine Entscheidung getroffen. »Das ist richtig. Es zeugt von Bescheidenheit, nicht länger als nötig in der Gegenwart eines großen Mannes verbleiben zu wollen. Ihr habt meine Erlaubnis, eurer Wege zu ziehen, solange diese Wege euch nie wieder in das Reich Antioch führen.«
Die Menge wirkte zufrieden. Er hatte erkannt, was sie hören wollte.
»Wir werden darauf achten«, sagte Diego.
Wir warteten auf de Poitiers’ Geste, bevor wir es wagten, uns zurückzuziehen. Eine der Wachen schloss Diegos Ketten auf.
»Was ist mit unseren Sachen?«, fragte ich den deutsch sprechenden Soldaten, der uns zum Gerichtsplatz begleitet hatte.
»Nicht eure – unsere.« Er grinste; seine Zähne waren braun und fleckig. »Ist Bezahlung für Essen, Bett.«
»Was?« Diego schrie ihn beinahe an.
Der Soldat legte eine Hand auf sein Schwert. Rasch zog ich Diego beiseite.
»Komm, bevor sie uns doch noch verurteilen.«
Wir ließen den Platz hinter uns. Die Menschen, die bei der Verhandlung gewesen waren, musterten uns neugierig. Es war seltsam, aber sie wirkten weniger feindselig als zuvor.
Im Mietstall erfuhren wir, dass die Soldaten uns auch die Pferde genommen hatten. Wir besaßen nichts mehr außer der Kleidung, die wir trugen, und den Münzen in meinem Geldbeutel. Das war mehr, als ich bisher im Leben besessen hatte, deshalb störte es mich kaum. Diego hingegen war wütend.
»Er hat die Seiten«, sagte er, als wir das Stadttor hinter uns ließen und den Weg zum Hafen einschlugen. »Dieses verdammte Schwein weiß genau, wie viel sie wert sind. Deshalb hat er diese Verhandlung inszeniert. Er wollte sehen, wer wir sind und ob wir ihm Ärger machen könnten.«
»Sei froh, dass er das nicht glaubt, sonst hätte er uns umbringen lassen.«
Diego murmelte etwas, das ich nicht verstand. Auch wenn er nie darüber sprach, war ich mir sicher, dass er wohlhabend war. Ein armer Mann hätte sich nicht darüber gewundert, dass sich de Poitiers genommen hatte, was er begehrte.
Ich ergriff Diegos Hand. Er drückte die meine. Die Straße vor uns war menschenleer.
Kapitel 30
Die belagerte Stadt hieß Patika und lag eine Wochenreise entfernt im Süden. Das verriet uns ein Händler namens Mahmud, den wir am Hafen trafen. Für ein paar Münzen durften wir uns seiner Karawane anschließen. Sie bestand aus Eseln und Kamelen, die mit Waren beladen waren. Zudem schlurfte eine Gruppe von zwanzig zusammengeketteten Sklaven hinter den Tieren her. Bewaffnete Karawanenwächter trieben sie an. Die Sklaven waren nicht so dunkel wie der Junge, den ich bei Jakob gesehen hatte, aber alle hatten schwarzes Haar.
»Heiden«, sagte Mahmud, als ich ihn fragte. »Sie beten weder zu deinem noch zu meinem noch zum Gott der Christen. Du musst dir keine Gedanken um sie machen.«
Ich tat es dennoch. Ihr Schicksal erinnerte mich an Hermann.
»Wir hätten ihm helfen sollen«, sagte ich an diesem Abend zu Diego. »Er ist ganz allein dort.«
»Er hätte uns vor Angst verraten. Du hast ihn doch gehört.« Diego streckte sich neben dem Feuer aus und gähnte. »Man kann niemandem helfen, der es nicht will.«
Er hatte recht, trotzdem fühlte ich mich schuldig, wenn ich an Hermann dachte. Ich tröstete mich mit der Lüge, dass er eines Tages den Mut aufbringen würde zu fliehen.
Eine Tagesreise von Patika entfernt trennten wir uns von der Karawane. Mahmud bog ins Landesinnere, in Richtung des Gebirges ab, wir blieben an der Küste. Erste Anzeichen der Belagerung tauchten auf: verbrannte Felder und zerstörte Dörfer. Die meisten waren schon lange verlassen.
»Seit Jahren belagern die Christen Patika«, hatte Mahmud uns erzählt, »aber die Stadt ist nie gefallen, denn andere moslemische Städte haben sie über das Meer mit Vorräten und Waffen versorgt. Seit kurzem aber riegelt eine Flotte aus Venedig den Hafen ab. Wer weiß,
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