Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
bezahle es. Sieh es als Oster…«
»Ich muss meine Söhne sehen«, stieß ich hervor. »Das ist vielleicht meine letzte Gelegenheit. Wenn wir den Dom erreichen, ist es zu spät.«
Er blinzelte, sah nach vorn zu den anderen, die zwischen den lautstark redenden Pilgern verschwanden, dann packte er so plötzlich meinen Arm, dass ich beinahe aufgeschrien hätte, und zog mich in eine Gasse.
Seine Augen glänzten aufgeregt, während er mich ein paar Schritte weiterzerrte. »Wo sind deine Söhne?«
»Bei Paul, dem Schreiner.« Ich versuchte, stehen zu bleiben, aber er ließ das nicht zu. »Geh zurück zu den anderen. Ich finde sie schon.«
Er lachte. Es klang seltsam. »Ich soll eine Frau in dieser Stadt allein lassen? Für was hältst du mich? Nein, ich komme mit dir. Wenn Vater Ignatius fragt, sagen wir ihm, ich hätte gemerkt, dass du von uns getrennt worden wärst, wäre dich suchen gegangen und hätte dich zum Glück gefunden.« Wilhelm ging so schnell, dass ich kaum mithalten konnte. »Keine Sorge, ich weiß, wo die Schreiner ihre Werkstätten haben. Du wirst deine Söhne bald sehen.«
Ich ließ mich mitziehen. »Danke«, sagte ich, als ich langsam wieder zu Atem kam. »Das werde ich dir nie vergessen.«
Er lächelte und schwieg.
Die Gassen, durch die wir gingen, wurden schmaler und leerer, die Häuser einfacher.
Durch den Stoff meines Leinenhemds spürte ich Wilhelms Hand. Sie war warm und feucht. Ab und zu warf ich einen Blick zurück. Der Dom überragte die Stadt, aber er war längst nicht mehr so nahe wie zuvor.
Es erschien mir merkwürdig, dass die Schreiner so weit vom Domplatz entfernt lebten. Als ich Wilhelm darauf ansprach, lachte er. »Man merkt, dass du noch nie in einer Stadt warst. Das ist nicht weit. Du solltest mal sehen, wo die Gerber leben.«
Uns begegneten in Lumpen gehüllte Menschen und abge magerte Katzen. In einer Gasse stritten sich Hunde um eine tote Ratte. Überall lag Kot. Es gab keine Geschäfte, keine Werkstätten, nur wirre Reihen ärmlichster Behausungen. Ich glaubte nicht, dass ich allein je wieder den Weg zurück finden würde.
»Sind wir hier wirklich richtig?«, fragte ich nach einer endlos erscheinenden Weile.
»Vertrau mir.« Das war alles, was Wilhelm darauf antwortete.
Ich bemerkte, dass er sich hektisch umsah. Vielleicht hatte er sich verlaufen und wagte es nicht, es mir zu gestehen. Schließlich schien er gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte, denn er zog mich auf einen schmalen Weg zwischen zwei Hütten zu. Die eine musste schon vor langer Zeit abgebrannt sein, denn die verkohlten Balken waren moosbedeckt. Das Dach der anderen war eingestürzt.
»Hier entlang«, sagte Wilhelm.
Es wurde schlagartig dunkel, als wir in den Weg einbogen. Er war so schmal, dass die Sonnenstrahlen ihn nicht erreichten. Ich rutschte auf Kot aus und wäre gestürzt, wenn Wilhelm mich nicht immer noch festgehalten hätte. Wir gingen ein paar Schritte, dann sah ich, dass der Weg vor einer Holzwand endete.
Wilhelm drehte sich um. »Endlich sind wir allein.«
Mir wurde kalt.
Mit einem Ruck versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, aber er drückte mich gegen die Wand. Ich hörte, wie Dreck aus den Ritzen zu Boden rieselte.
Wilhelm schob sein Knie zwischen meine Beine, drückte sie auseinander.
»Du kannst es doch kaum erwarten«, flüsterte er. »Das habe ich schon auf der Barke deutlich gespürt.«
»Nein. Du irrst dich. Lass mich los, dann wird niemand etwas erfahren.«
Wilhelm lachte. »Es wird auch so niemand erfahren. Du wirst nichts erzählen. Keine von euch Schlampen hat das je getan.«
Mit seiner freien Hand ergriff er mein Kinn, und seine Finger bohrten sich in meine Wangen. Er presste mir einen Kuss auf die Lippen.
Ich kniff den Mund zu und holte mit dem Brotbeutel aus. Der Schlag streifte nur seine Schulter, aber er geriet trotzdem in Wut. Die Hand, die sich um mein Kinn schloss, stieß zu, rammte mir den Kopf gegen die Wand.
Mir wurde schwarz vor Augen. Ich fühlte, wie mir der Brotbeutel aus der Hand rutschte. Meine Knie wurden weich. Der Schmerz in meinem Kopf war so dumpf und weit entfernt wie die Geräusche der Stadt, aber dennoch allumfassend.
Wilhelm sagte etwas, das ich nicht verstand, und ließ mich los. Ich rutschte an der Wand nach unten, bis ich mit angezogenen Beinen auf dem Boden saß.
Ich hörte, wie Wilhelm seinen Gürtel abschnallte. Seine Hände stützten sich auf meine Knie, zwangen sie auseinander, und dann klemmte er seinen Körper
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