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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zwischen meine Beine. Sein Atem streifte meinen Hals.
    Ich blinzelte, versuchte Sinn in verschwommene Umrisse zu bringen. Es war, als gehöre mein Körper einer anderen, als wäre ich bereits nicht mehr dort, sondern auf dem Weg zu einem anderen Ort.
    »Es wird dir gefallen«, flüsterte Wilhelm. »Es gefällt allen.«
    Die Umrisse vor meinen Augen wurden zu einem Gesicht, Wilhelms verschwitztem, verzerrten Gesicht. Er bleckte die Zähne wie ein Wolf. Sein Körper drückte mich gegen die Wand. Er schob meine Röcke nach oben und grinste. Meine Arme waren unter mir eingeklemmt, mit den Beinen trat ich hilflos und sinnlos in die Luft.
    Und dann holte ich aus mit der letzten Waffe, die mir noch verblieben war, und schlug ihm meine Stirn ins Gesicht.
    Wilhelm schrie. Das Gewicht verschwand von meinem Körper. Ich atmete keuchend ein, stützte mich an der Wand ab und versuchte, auf die Beine zu kommen. Wilhelm wälzte sich vor mir am Boden, stöhnend, die Hände vors Gesicht geschlagen. Blut lief durch seine Finger.
    Ich trat zu, und er krümmte sich zusammen. In meinem Kopf rauschte es, die Umgebung verschwamm vor meinen Augen. Ich hatte solche Angst, dass Wilhelm aufstehen würde, dass ich mich nach einem Brett bückte und damit zuschlug. Dann trat ich zu, wieder und wieder, bis meine Zehen schmerzten. Ich machte mit dem anderen Fuß weiter, schlug und trat Wilhelm ins Gesicht, in den Bauch, auf den Rücken und zwischen die Beine. Ich prügelte auf ihn ein, bis aus den Schreien ein Wimmern und aus dem Wimmern Stille wurde. Als er sich nicht mehr rührte, sackte ich würgend zusammen und weinte.
    Angst brachte mich schließlich wieder auf die Beine. Ich wusste nicht, wie lange ich am Boden gehockt hatte, aber es konnte kaum Zeit vergangen sein, denn das Blut, das sich wie ein roter Heiligenschein um Wilhelms Kopf ausbreitete, war noch nicht versickert. Er lag auf der Seite und rührte sich nicht. Ich wagte es nicht, ihn umzudrehen.
    Stolpernd verließ ich den Weg, prallte dabei fast gegen einen alten Mann, der auf einen Stock gestützt an mir vorbeihinkte. Er rief mir Flüche hinterher, aber ich sah nicht zurück.
    Ziellos lief ich durch die Gassen. Ich dachte an nichts, weder an Wilhelm noch an meine Söhne oder mich selbst. Hätte man mich nach meinem Namen gefragt, hätte ich ihn in diesen Momenten nicht mal gewusst.
    Irgendwann brach ich zusammen.
    »Schwester?«
    Die Stimme drang durch den Nebel der stillen, grauen Welt, die mich umgab. Ich wollte mich vor ihr verkriechen, die Ohren verschließen, aber sie ließ nicht ab.
    Ich öffnete die Augen. Ein Männergesicht tauchte vor mir auf.
    Wilhelm.
    Ich hob die Arme, wollte danach schlagen, aber es wich mir aus.
    »Ganz ruhig, Schwester. Du bist nicht in Gefahr.«
    Die Stimme klang anders als Wilhelms, dunkler und fremder. Der Mann sprach mit einem Akzent.
    »Bist du Ägypter?«, fragte ich. Es war der erste Gedanke, den ich hatte.
    »Ägypter?« Er lächelte. Sein Gesicht war schmal und sonnenverbrannt, die Augen dunkel. »Nein.«
    Er drückte mir einen Schlauch in die Hand. Ich bemerkte auf einmal, wie durstig ich war. Mit langen Schlucken trank ich den Wein darin. Er war süß und leicht.
    »Hat man dich überfallen, Schwester?«
    Ich setzte den Schlauch ab und schüttelte den Kopf.
    »Ist dir etwas anderes zugestoßen?«
    Ich sah Wilhelms reglosen Körper vor mir. »Nein.«
    Allmählich gewahrte ich meine Umgebung, so als würde man in einem dunklen Raum eine Kerze halten. Ich hockte im Eingang eines Hauses. Die Straße, die daran vorbeiführte, war belebt. Der Dom überragte all die anderen Gebäude, die ich sah. Ich war fast bis zu ihm zurückgelaufen, ohne es zu merken.
    Der Fremde, der vor mir hockte, hob die Schultern, als wisse er nicht, was er noch fragen solle. »Und sonst?«
    Mir fiel die lederne Reisekleidung auf, die er trug, und die teuren Stiefel. Er war ein wohlhabender Mann, vielleicht sogar ein Adliger.
    »Es geht mir gut, Herr.«
    Er zögerte, dann nahm er ein Bündel von der Schulter und reichte mir das Brot, das sich darin befand. Es war fast weiß und gespickt mit Nüssen. Ich hätte es nicht annehmen sollen, es war ein viel zu wertvolles Geschenk, aber mir fehlte die Kraft, zu widersprechen. »Ich danke Euch.«
    »Dann lebt wohl, Schwester.« Er stand auf und wollte sich abwenden, aber ich hielt ihn auf.
    »Könnt Ihr mir noch sagen, wo es zur Gasse der Schreiner geht, Herr?«
    Er zeigte die Straße hinunter. »Dort entlang, am Dom vorbei. Aber

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