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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Hand war heiß und feucht.
    »Nein, Herr.« Ich hörte das Zittern in meiner Stimme.
    »Alles an ihnen ist dunkel.« Er schien mich nicht wahrzunehmen. Sein Blick war auf etwas gerichtet, das niemand außer ihm sehen konnte. »Ihre Haare, ihre Augen, ihre Seele, alles ist dunkel. Unter ihnen sind Männer, so schwarz wie Asche. Sie werden im Feuer geboren. Es härtet ihre Haut und macht sie unverwundbar. Und wenn sie kämpfen, die Sarazenen, dann unter dem Banner des Halbmonds. Ihre Waffen …« – er ließ meine Hand los, aber ich wagte es nicht, mich zu bewegen – »… sind gekrümmt wie dieser Mond, und wenn sie schneiden …« – er hob die Hand und zog sie über seinen Hinterkopf, dort, wo ich die Narbe gesehen hatte –, »… dann schneiden sie tief, so tief, dass der Schmerz niemals aufhört. Niemals. Er bleibt für immer und immer.«
    Der Kelch entfiel seiner Hand. Wein spritzte über meine Röcke und meinen nackten rechten Fuß.
    Von Alen drehte sich wortlos um und ging zu seiner Decke. Ich erkannte, dass er versuchte, nicht zu schwanken; er drückte den Rücken durch und bewegte sich langsam und steif. An der Wand angekommen tastete er nach seinem Schwert und griff ins Leere.
    Ich hielt den Atem an. Ich wusste nicht, was er mit dem Schwert wollte, war jedoch sicher, dass es besser war, wenn er es nicht fand.
    Er brach in die Knie. Mit einer Hand tastete er weiter nach dem Schwert, mit der anderen stützte er sich auf dem Boden ab. Dann krümmte er sich plötzlich zusammen, zog die Knie an und presste beide Arme an seinen Kopf. So blieb er liegen.
    Ich wartete einen Moment, doch er rührte sich nicht. Zögernd ging ich auf ihn zu.
    »Was machst du da?«, sagte Vater Ignatius in einer seltsam tonlosen Mischung aus Flüstern und Rufen.
    Ich antwortete nicht. Neben von Alen blieb ich stehen. Seine Augen waren geschlossen, Speichel rann aus seinem Mundwinkel. Der Griff seines Schwertes ragte keine Armeslänge von ihm entfernt unter der Decke hervor.
    Vorsichtig nahm ich es an mich, ging zurück zur anderen Seite des Innenhofs, auf unsere Seite, und reichte es Vater Ignatius. »Ich denke, wir schlafen vielleicht besser, wenn er kein Schwert hat.«
    Er nahm es zögernd, als habe er Angst, es würde bei einer falschen Berührung zum Leben erwachen. »Ja, das ist wohl besser so.«
    Hildegard berührte meine Hand. »Das war sehr mutig von dir«, flüsterte sie. »Er hätte uns alle umbringen können.«
    Ich nickte, obwohl ich das nicht glaubte. Der Blick, mit dem von Alen in die Dunkelheit gestarrt hatte, war mir vertraut. Es war der gleiche gewesen, mit dem Heinrich neben mir im Stroh gesessen hatte, am Morgen, nachdem unsere zweite Tochter tot auf die Welt gekommen war. Es war der Blick eines Mannes, der glaubte, dass er nie wieder aus dem dunklen Tal, in dem er sich verirrt hatte, entkommen würde.
    Heinrich war an diesem Morgen zum letzten Mal zum Steinbruch aufgebrochen, sein letzter Blick hatte nicht mir, sondern dem Nichts gegolten.
    Ich schichtete Stroh über mir auf und schloss die Augen. In dieser Nacht träumte ich von schwarzen Gestalten, die aus den Flammen der ewigen Verdammnis ritten, mit Fahnen über sich, auf denen ein halber Pfennig prangte.
    Als ich erwachte, war Hubert von Alen tot.

Kapitel 4
    Er hatte sich mit seinem Gürtel an einem der Dachbalken erhängt. Dort hing er noch. Seine Hose war ihm bis auf die Knöchel gerutscht, die Beine waren dreckverkrustet, kleine Fliegen krochen über die Haut. Sein Gesicht war blau angelaufen, die Zunge aufgequollen. Eine Pfütze aus Kot und Urin hatte sich unter ihm gebildet.
    Wir standen um ihn herum, schweigend, unsicher. Vater Ignatius hatte ihn gefunden, als er vor Sonnenaufgang erwacht war. Er hatte uns geweckt und war danach sofort aufgebrochen, um den Mönchen Bescheid zu sagen. Seitdem warteten wir auf ihn.
    »Sollen wir ihn abschneiden?«, fragte Hildegard nach einer Weile leise. Im ersten Licht des Morgens wirkte ihre Haut aschfahl.
    Wilhelm schüttelte den Kopf. »Wir fassen ihn besser nicht an. Er gehört jetzt dem Teufel.«
    Alle bekreuzigten sich. Ich drehte mich um, als ich Schritte im Gang hörte. Vater Ignatius kehrte zurück. Er wurde von Georg und einigen anderen Mönchen begleitet. Einer von ihnen, ein alter, dicker Mann, trug einen reich bestickten Schal. Das musste der Abt sein.
    Wir knieten vor ihm nieder, als er den Innenhof betrat, aber er beachtete uns nicht. Er blieb vor dem toten Ritter stehen und stemmte die Hände in die

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