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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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was sie darauf antworten solle.
    »Ja, das bist du wohl«, sagte sie nach einem Moment.
    Ihre Worte hingen in der Luft. Niemand sagte etwas, niemand sah mich direkt an, nur verstohlen aus den Augenwinkeln. Ich fühlte mich unwohl, so als hätte ich das Kleid jemandem gestohlen und wäre es nicht wert, es zu tragen. Der Puls hämmerte mir in den Schläfen. Ich wünschte mir die Lumpen herbei, die ich im Lager zurückgelassen hatte. Doch ich zwang mich, nichts davon zu zeigen, sondern mit ruhiger Hand das Weinglas zu greifen.
    »Einen Trinkspruch«, sagte Diego, bevor ich es an die Lippen heben konnte. »Auf unseren großzügigen Gastgeber Adalbert und seine erlauchten und ehrenwerten Gäste. Möge Gott euch alle schützen.«
    Wir tranken. Über den Rand des Kelchs hinweg sah ich, dass die Diener eine große Platte voll mit gekochten Hühnern in den Saal trugen. Erleichtert schloss ich die Augen. Das Essen würde uns vom Reden abhalten.
    Die Diener stellten das große Holzbrett vor Adalbert ab. Zwei weitere Bedienstete trugen Tabletts mit Soßen hinein und stellten die Schalen in regelmäßigen Abständen auf den Tisch, neben die kleinen Fässchen mit Salz, die dort schon gestanden hatten.
    Während Adalbert die Hühner mit seinem Messer so kunstvoll tranchierte, dass seine Gäste ihm applaudierten, brachten uns Diener Holzbretter und Löffel, die sie vor unseren Plätzen ablegten. Ich nahm meinen Löffel. Sein Griff bestand aus einem kunstvoll geschnitzten hellen Material, das fast wie ein Knochen aussah, aber leichter erschien.
    Diego bemerkte meine Bewunderung. »Das ist Elfenbein«, sagte er leise.
    »Elfenbein?«
    »Die Stoßzähne von Elefanten bestehen daraus.«
    Ich sah Diego an. »Dann hat er es aus dem Heiligen Land?«
    Seine Mundwinkel zuckten. »Nein.«
    Adalbert legte sich selbst einige besonders gute Stücke der Hühner auf das Brett, so wie es ihm als Hausherr zustand, dann reichte er das Brett weiter. Nicolaus griff wahllos zu, Lukas ebenso. Seit unserer Vorstellung hatten beide mit niemandem ein Wort oder einen Blick gewechselt.
    Ich zog mein altes, rostiges Messer aus dem Gürtel und begann das Fleisch, das man mir gereicht hatte, zu zerteilen. Es war so zart, dass es von den Knochen abfiel.
    »Erzählt von Eurer Reise«, sagte Adalbert mit vollem Mund.
    Nicolaus bemerkte erst nach einem Moment, dass die Aufforderung an ihn gerichtet war, und schluckte das Stück Huhn, das er gerade abgebissen hatte, hinunter. Dann wischte er sich die Finger an seinem Hemd ab.
    Einige Gäste hoben die Augenbrauen. Anscheinend gehörte sich entweder das Schlucken, das Abwischen der Finger oder beides nicht. Mir fiel auf, dass Nicolaus zum ersten Mal in meiner Gegenwart etwas aß.
    »Ich …«, begann Nicolaus zögernd. »Ich sah einen Engel, der mir sagte, was ich zu tun hatte. Ich tat es und werde es weiterhin tun, bis das Heilige Land befreit ist.«
    Er warf einen kurzen, flackernden Blick auf seine Zuhörer. »Das ist alles.«
    Ich hatte ihn noch nie so nervös erlebt. Vor ganzen Städten hatte er voll Leidenschaft und Überzeugung gesprochen, doch in dieser kleinen Runde versagte ihm fast die Stimme.
    »Und du glaubst wirklich, dass ihr Jerusalem erreichen werdet?«, fragte Petrus, der Benediktinermönch. Er hatte dichtes rotes Haar und ein sommersprossiges rundes Gesicht, das ihn jünger wirken ließ, als er war.
    Nicolaus nickte. »Das Meer wird sich vor uns teilen wie vor Moses.«
    Klaus, der ältere der beiden Krämer, nahm eine Messerspitze Salz aus einem der Fässchen. »Du verlangst viel vom Herrn.«
    »Ich verlange nichts von ihm. Der Engel sagt mir, was geschehen wird. Ich befolge nur seine Befehle.«
    »Und woher weißt du, dass es ein Engel ist, der zu dir spricht?« Der Jesuit – sein Name war Richard – stellte die Frage, während er einen Löffel Soße auf seinen Hühnerstücken verteilte. Sie war so dick, dass man sie fast schneiden konnte, genauso wie Köche sie immer auf der Burg gemacht hatten.
    »Weil er mir gesagt hat, dass er ein Engel ist.«
    »Würde der Teufel das nicht auch sagen?«
    Nicolaus blinzelte. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Ich bin nicht vom Teufel auf diese Reise geschickt worden.«
    Richard zog Haut von einem Hühnerbein und wischte die Soße damit auf. »Woher willst du das wissen?«
    »Weil der Teufel bereits versucht hat, uns aufzuhalten.« Nicolaus schob das Holzbrett von sich. Sein Ärger gab ihm Sicherheit. »Wieso sollte er sich selbst aufhalten?«
    Die Blicke

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