Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
beten.
Es raschelte. Nicht meine eigene Kleidung bewegte sich, sondern die eines anderen.
»Ist es schon Morgen?«, fragte eine leise, hohe Mädchenstimme. Ich erkannte sie wieder. Sie gehörte Antonia, einer der Töchter der Frau, die uns ihre Kinder in Bonn gebracht hatte.
»Nein, wir haben noch Zeit.« Die Stimme eines Jungen. Er hieß Bernhard und sah Hugo ein wenig ähnlich. Mehr wusste ich nicht über ihn.
Anna kicherte. Es war das gleiche Geräusch, das ich zuvor gehört hatte. »Willst du noch mal?«
Die Frage blieb unbeantwortet. Ich hörte ein Rascheln, dann ein Stöhnen.
Die Schwere des Weins schwand aus meinem Kopf. Ich wusste, was dort geschah. Ein Schwur wurde gebrochen, ein heiliger Eid, zu dem sich jeder von uns verpflichtet hatte.
Einen Moment lang war ich unentschlossen, fragte mich, ob ich dem Tun der beiden ein Ende setzen sollte. Doch dann zog ich mich leise zurück. Ich würde mit ihnen reden, wenn der Zeitpunkt günstig war. Sie waren beide noch so jung, dass sie vielleicht nicht einmal verstanden, wie groß die Sünde war, die sie begingen.
Ich verließ das Gebüsch und strich meine Röcke gerade. Ein erster grauer Streifen tauchte am Horizont auf. Schon bald würde das Lager erwachen. Ich wandte mich Nicolaus’ Feuer zu und zuckte zusammen, als ich einen Mann keine drei Schritte von mir entfernt stehen sah.
Er hob die Hände. »Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken, Schwester.«
Es war Rüdiger, der Anführer der Soldaten. Er war barfuß, sonst hätte ich ihn schon früher gehört.
»Hast du nicht. Ich habe dich nur nicht gesehen.«
Er nickte und ging weiter, dem Wald mit seinen Büschen und dichtem Unterholz entgegen.
»Willst du dort …«, begann ich und brach dann ab, weil es sich nicht gehörte, einen Mann auf so etwas anzusprechen.
Rüdiger verstand auch so. »Genau das, Schwester.«
Er wandte sich ab.
»Ich würde es nicht dort tun«, sagte ich laut, hoffte dabei, dass Antonia und Bernhard nicht zu sehr in ihrer eigenen Welt versunken waren.
Rüdiger sah mich an. »Warum nicht?«
»Weil … es dort Tiere gibt. Ich habe sie knurren gehört.«
»Tiere?« Er tastete nach seinem Schwert, doch er hatte den Gürtel wohl vor dem Schlafengehen abgelegt; seine Hand griff ins Leere.
»Ja, große Tiere. Sie haben mir Angst gemacht.«
Das war die falsche Antwort, das begriff ich, als Rüdiger den Rücken durchdrückte und die Hände in die Hüften stemmte. »Mir hat noch kein Tier Angst gemacht, Schwester. Mach dir keine Sorgen, ich sehe mir das mal an.«
Ich wollte etwas entgegnen, ihn aufhalten, aber bevor mir etwas einfiel, verschwand er bereits zwischen den Büschen. Mit angehaltenem Atem lauschte ich. Es war noch dunkel. Wenn Antonia und Bernhard schnell genug waren, wenn sie sich verbargen …
»Verdammte Scheiße!« Rüdigers Gebrüll versetzte mir einen Stich. Ich hörte Schreie, knackende Äste, erste Rufe aus dem Lager. Menschen erhoben sich an den Feuern, sahen sich verwirrt um.
Nur Lidschläge später stürmte Rüdiger aus den Büschen. Er zog Antonia und Bernhard hinter sich her. Beide waren halb nackt. Antonia versuchte ihre Brüste mit einem Umhang zu bedecken.
»Hier sind deine Tiere!« Er stieß mir die beiden entgegen.
Bernhard stolperte und ging zu Boden. Er blutete aus der Nase. Antonia blieb zitternd stehen, den Wollumhang unter das Kinn gezogen, den Kopf gesenkt.
Sie taten mir leid. Während sich Menschen um uns herum versammelten, ging ich zu Bernhard, nahm ihm sein Leinenhemd aus der Hand und reichte es Antonia. Sie zog es rasch über. Es war zu groß, bedeckte aber ihre Blöße.
Rüdiger wurde sich der Menschenmenge bewusst. »Getrieben haben sie es!«, schrie er. »Dahinten im Wald!«
Einige bekreuzigten sich, andere riefen Schmähungen.
»Sie sind doch fast noch Kinder«, sagte ich, aber meine Stimme ging in den Rufen unter.
Nicolaus und Lukas tauchten zwischen den Kreuzfahrern auf. Seinen Schäferstab hatte Nicolaus durch einen knorrigen Ast ersetzt. Hugo schnitzte ihm bereits einen neuen, doch das war noch ein Geheimnis.
»Was ist passiert?«, fragte Lukas.
Rüdiger ging mit langen Schritten auf ihn und Nicolaus zu. Er erzählte ihnen alles, ließ vor allem nicht aus, dass ich die beiden im Wald für Tiere gehalten hätte. »Da weiß man ja schon, wie sie es dort getrieben haben«, schloss er.
Ich sah mich nach meinen Söhnen um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Sie verbargen sich wahrscheinlich hinter Erwachsenen, weil sie
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