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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zu marschieren und zu essen. Sie sind es nicht länger wert, Menschen zu sein.« Dieses Mal war es Applaus, der ihn unterbrach. Lukas genoss seine Rolle als Richter. Ich hörte es an seiner Stimme. »Deshalb werde ich dich …« Er geriet ins Stocken.
    »Bernhard«, rief jemand.
    »Deshalb werde ich dich, Bernhard, und dich, Antonia, im Namen des Kreuzzugs, den der Herr selbst gesegnet hat, verbannen. Keinen Blick werdet ihr mehr auf uns richten, keinen Schritt mehr mit uns tun. Ihr seid verbannt aus der Gemeinschaft der Kreuzfahrer!«
    Mäßiger Applaus kam auf. Die Menge hatte mehr erwartet. Lukas schien das zu merken, denn ich sah über die Köpfe der Menschen hinweg, wie er die Arme hob.
    »Doch das ist nicht alles! Ihr sollt von uns gehen wie die Tiere, die ihr seid.« Lukas ließ die Arme sinken. »Nackt.«
    »Nein!« Ich hörte Antonias Schrei und schlug die Hände vors Gesicht. Es kam Bewegung in die Menge. Kurz tauchte Bernhard zwischen zwei Kindern auf, dann wurde er zurückgezogen.
    »Zieht euch aus, wenn ihr nicht wollt, dass ich euch die Kleider vom Leib reiße!«, rief Rüdiger. Gelächter klang auf.
    Ich machte einen Schritt vor, wollte mich an den Menschen vorbeidrängen, doch wieder hielt mich Diego auf. »Mach es nicht schlimmer für sie. Das ist ein mildes Urteil.«
    »Milde?« Ich fuhr herum, riss mich aus seinem Griff. »Vielleicht ist es in deinem Land normal, nackt umherzulaufen wie im Paradies, aber hier kann ich mir nichts Beschämenderes vorstellen. Was sollen die beiden denn machen? So können sie sich in kein Dorf wagen. Sie werden verhungern.«
    Hinter mir johlte die Menge. Kleine Kinder lachten aufgeregt und nervös.
    Diego winkte ab. »Das werden sie nicht. Sie müssen nur behaupten, man habe sie überfallen.«
    »Nicht jeder lügt so gut wie du.« Ich biss mir auf die Lippe, aber es war zu spät, die Worte waren heraus.
    Diego wirkte überrascht. »Was soll das heißen?« Er blinzelte. »Geht es etwa schon wieder um das Heilige Land und die verdammten Elefanten?«
    »Ja.« Das war eine Lüge, und ich sah Diego an, dass er mir nicht glaubte.
    Trotzdem spielte er mit. »Du wirst ja bald sehen, dass es dort keine Elefanten gibt.«
    Das Johlen und Klatschen der Menge nahm zu. Sie teilte sich und ließ zuerst Bernhard, dann Antonia durch. Beide stolperten durch das Gras, versuchten ihre Blöße zu bedecken. Menschen spuckten sie an, Dreck und Hühnerknochen flogen durch die Luft. Ein Stein traf Antonia am Arm und hinterließ eine blutige Schramme. Sie schrie und weinte.
    Bernhard griff nach ihrer Hand, zog sie hinter sich her. Auch über seine Wangen liefen Tränen. Ich musste die Augen schließen, so sehr erinnerte er mich an Hugo.
    Als ich sie wieder öffnete, hatten die beiden die Straße erreicht. Einige Kinder liefen ihnen noch nach, bewarfen sie mit allem, was sie finden konnten, der Rest der Menge begann sich zu zerstreuen. Schließlich stand nur noch Lukas neben den Kleiderbündeln, die Antonia und Bernhard zurückgelassen hatten. Er raffte sie zusammen und kam auf mich zu.
    »Sorg dafür, dass sie gewaschen werden.« Er ließ die Bündel vor mir fallen. »Vielleicht kann sie jemand gebrauchen.«
    Ich schluckte die Worte herunter, die mir auf der Zunge gelegen hatten, und sagte stattdessen: »Das werde ich.«
    »Gut.« Er ging weiter.
    Ich hob die Kleidung auf. Es waren Lumpen, die nach Schweiß und Wald rochen. Die Einzigen, die sie gebrauchen konnten, hatte Lukas aus dem Lager gejagt.
    Mit den Lumpen auf dem Arm ging ich hinunter zum Fluss. Diego folgte mir schweigend. Ich war wütend auf Lukas, auf Antonia und Bernhard. Und auf mich selbst. Einer todkranken Frau hatte ich versprochen, auf ihre Kinder zu achten, doch das hatte ich nicht getan. Nicht einmal meine eigenen Söhne hatte ich seit diesem Kreuzzug so oft gesehen wie Nicolaus.
    An seinem Feuer zu sitzen und seinen Visionen zu lauschen war mir wichtiger gewesen als ein Versprechen, wichtiger als meine eigene Familie.
    Schilf stand hoch am Ufer des Rheins. Ich ging daran entlang, bis ich eine Stelle fand, an der ich ungehindert bis zum Wasser gelangen konnte. Barfuß watete ich hinein.
    Es war kühl und trüb. Eine Ente saß auf einem Stein zwischen den Schilfrohren und beobachtete mich. Jenseits des Rheins ging die Sonne auf.
    Ich zögerte einen Moment, dann holte ich mit beiden Armen aus und warf die Lumpen in den Fluss. Die Ente flatterte erschrocken auf.
    »Was machst du da?«
    Ich hatte fast vergessen, dass Diego mich

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