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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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den Kampf.
    Da ist er, hatte einer der Männer geschrien. Zwei hatten sich auf Diego gestürzt, und der Kahlköpfige war an Nicolaus vorbeigehuscht, um in seinen Rücken zu gelangen.
    Nicht Nicolaus hatten sie töten wollen …
    Die Speisen des Abends lagen plötzlich wie Steine in meinem Magen.
    … sondern Diego.

Kapitel 11
    Ich sprach weder über meinen Verdacht noch über das, was im Saal des Ratsherrn über uns und über mich gesagt worden war. Ich schlüpfte wieder in meine rauen, kratzenden Lumpen und versteckte das blaue Kleid so tief unter den anderen Sachen, die im Karren lagen, dass ich es nicht mehr sehen musste.
    Nur meine Gedanken konnte ich nicht so tief vergraben. Elisa beths Worte verfolgten mich fast so sehr wie Wilhelms Gesicht. Kleinigkeiten reichten, um mir die Schamesröte wieder auf die Wangen zu treiben: eine Vogelfeder im Haar eines Kindes, das Gelächter einer alten Frau, Lukas’ Mahnungen zur Vorsicht.
    Über kaum etwas anderes redete er, wenn wir abends am Feuer saßen. Mal verdächtigte er Adalbert, gedungene Mörder ange heuert zu haben, mal den Bischof von Mainz, manchmal sogar den pferdezähnigen Diener, der sich uns am Morgen des Aufbruchs in Speyer angeschlossen hatte.
    Eines Abends, als die belauschte Unterhaltung erneut wie ein Feuer in meinen Gedanken brannte, fragte ich schließlich: »Glaubt ihr, dass der Papst unseren Kreuzzug unterstützt?«
    »Natürlich«, sagte Nicolaus ohne Zögern. »Wenn der Engel zu mir spricht, dann auch zum Papst. Das wäre sonst doch …« Er suchte nach dem richtigen Wort.
    »Unhöflich?«, schlug Diego vor.
    Nicolaus nickte, auch wenn es wohl nicht das war, was er gemeint hatte.
    »Und wenn der Engel nur zu dir gesprochen hat?«, fragte ich. »Wenn der Papst nichts davon weiß und es von Menschen erfährt, die uns vielleicht nicht wohlgesonnen sind?«
    Diego warf mir einen neugierigen Blick zu, Lukas wirkte nachdenklich, aber Nicolaus hob nur die Schultern. »Er ist der Papst«, sagte er. »Weiß er nicht alles?«
    Danach wandte sich die Unterhaltung anderen Dingen zu.
    Viele hatten sich an diesem Frühlingsabend um das Feuer versammelt. Vierzig Tage waren seit Ostern vergangen, so schätzten wir, obwohl niemand mitgezählt hatte. Längst hatten wir den Überblick über die Wochentage verloren. Wir aßen Fleisch und Fisch, wie es uns gefiel, egal, ob es ein Mittwoch oder Freitag war. Der Engel hatte es uns erlaubt, damit unser Weg nicht noch schwerer wurde, als er es bereits war.
    Und so feierten wir an diesem Abend Christi Himmelfahrt, weil Gottfried gesagt hatte, es seien vierzig Tage vergangen. Auf einem Karren waren Lukas, Hugo, Konrad und nach einigen Wortgefechten auch Cornelius durch die umliegenden Dörfer gezogen und hatten alle Hühner aufgekauft, die sie finden konnten. Keiner von ihnen hatte die Bauern gefragt, ob der Festtag tatsächlich gekommen war. Sie wollten nicht enttäuscht werden.
    Trotz der Mühe, die sich Lukas und die Kinder gemacht hatten, reichten die Hühner nicht für den ganzen Kreuzzug. Konrad kam schließlich auf die Idee, eines pro Feuer auszugeben, sodass zumindest jeder ein Stück vom Fleisch bekam. Lena nähte eine Jesusfigur aus ein paar Lumpen, Hugo schnitzte ein Kreuz. Singend und betend zogen wir die Figur an einem Strick empor in einen Baum, während kleine Kinder ein Stück Holz mit einer geschnitzten Teufelsfratze in den Staub traten. Danach aßen wir Huhn mit Haferschleim.
    Gottfried erzählte an unserem Feuer die Geschichte von der Himmelfahrt Christi, dann tranken wir Wein und sangen die neuen Lieder, die wir auf der Reise gelernt hatten. Erst spät in der Nacht legten wir uns schlafen.
    Der Wein weckte mich noch vor Sonnenaufgang. Ich legte den Wollumhang zur Seite, unter dem ich geschlafen hatte, und stand auf. Es war still im Lager. Nur ab und zu hustete oder schnarchte jemand. Ich ging an den Feuern vorbei durch das niedergetrampelte feuchte Gras bis zu einem Wald in der Nähe des Flusses. Dort hockte ich mich hin.
    Erst als ich wieder aufstand und meine Röcke fallen ließ, bemerkte ich, dass ich nicht allein war.
    Jemand kicherte leise und verstohlen. Ich drehte den Kopf, wagte es kaum, mich zu bewegen. Das Rascheln meiner Kleidung erschien mir so laut wie der Glockenschlag in einem Kirchturm.
    Als Kind hatte ich Angst vor den Geistern im Wald gehabt und gebetet, wenn wir dort Pilze suchten. Nun kehrte das Gefühl, an das ich jahrelang nicht mehr gedacht hatte, zurück. Stumm begann ich zu

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