Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
begleitete. »Ich gebe dem Herrn die Gelegenheit, Antonia und Bernhard ihre Kleidung zurückzugeben, wenn ihm das gefällt.«
Die Lumpen sogen sich rasch mit Wasser voll, doch sie gingen nicht unter, sondern wurden von der Strömung mitgezogen.
Ich drehte mich um und watete aus dem Fluss.
»Und was ist mit Lukas?«, fragte Diego.
»Solche Lumpen liegen zu Dutzenden auf den Karren. Ihm wird nichts auffallen.« Es war ein gutes Gefühl, nicht getan zu haben, was er wollte.
»Sei vorsichtig.« Diego sah sich um. Es war eine Angewohnheit, die mir schon öfter bei ihm aufgefallen war, so als befürchtete er ständig, belauscht oder beobachtet zu werden. »Du nimmst dir viel heraus, mancher würde sagen, zu viel.«
»Ich versuche nur zu sein, was Nicolaus von mir erwartet. Seine Seele, sein Gewissen.« Langsam ging ich am Ufer entlang. Wasser tropfte aus dem Saum meiner Röcke.
Diego schloss zu mir auf. »Er hat dir diese Stellung gegeben, er kann sie dir ebenso schnell wieder nehmen. Ein Wort des Engels …« Er ließ den Satz unvollendet.
Es war das zweite Mal an diesem Morgen, dass er den Engel erwähnte. Beim ersten Mal hatte ich nicht verstanden, was er damit sagen wollte, diesmal schon.
Ich blieb stehen, ebenso überrascht wie entsetzt. »Glaubst du etwa, dass Nicolaus lügt? Dass er dem Engel seine eigenen Worte in den Mund legt?«
»Nein, natürlich nicht.« Diego schüttelte den Kopf. Sein dunkles Haar fiel ihm in die Stirn. »Aber ich glaube, dass Lukas Nicolaus nähersteht als du. Wenn er Zweifel an dir sät, wenn die Zwietracht zwischen dir und ihm den Kreuzzug gefährdet, wird Nicolaus den Engel fragen, wer von euch gehen soll. Und was, wenn der Engel deinen Namen nennt? Was wirst du dann tun? Wohin wirst du gehen?«
Er hatte noch nie so ernst zu mir gesprochen, so eindringlich. Ich fragte mich, ob er etwas bemerkt hatte, das mir verborgen geblieben war. Es stimmte, ich hatte Lukas einige Male widersprochen, doch das war nie ohne Grund geschehen. Fast nie. Ich bereute bereits, die Lumpen in den Fluss geworfen zu haben.
»Dann werde ich ab jetzt vorsichtiger sein«, sagte ich.
Diego lächelte, wirkte erleichtert, dass ich seinen Rat angenommen hatte. Schweigend gingen wir am Ufer entlang.
Ich sah den Enten auf dem Wasser zu, lauschte dem Rauschen des Schilfs im Wind. »Was ist mit dir?«, fragte ich schließlich, als sich das Schweigen endlos zu dehnen schien. »Lukas mag dich nicht, Nicolaus …« Ich zögerte, entschied mich dann für die Wahrheit. »… auch nicht. Wohin würdest du gehen, wenn der Engel deinen Namen nennt?«
Diego breitete die Arme aus. »Wohin ich will. Ich habe Geld, eine Heimat, in der weder der Ochsenpflug noch der Pranger auf mich warten, und genug Zeit, um nach Rom zu pilgern, damit mich der Papst von meinem Gelübde entbindet und ich die Ewigkeit nicht in der Hölle verbringen muss.«
»Und warum hast du dich uns angeschlossen, wenn du so frei bist?«
Er sah mich an. »Weil ich an den Engel glaube.«
Sein Mund lächelte, seine Augen nicht.
Am nächsten Morgen waren Elisabeth und ihre kleinen Brüder verschwunden. Sie mussten sich heimlich in der Nacht davongeschlichen haben.
Ich stellte mir vor, dass sie Kleidung gestohlen, Bernhard und Antonia gefunden und mit ihnen auf dem Weg in irgendein Dorf waren, um ein neues Leben zu beginnen. Ich stellte es mir vor, obwohl ich ahnte, dass es nicht so sein würde. Gott schenkte denen, die seine Gesetze brachen, kein Glück. Das hob er sich für die Rechtschaffenen auf.
Für uns.
Der Gedanke schmeckte bitter.
Kapitel 12
Der Engel vergab uns die Unzucht von Antonia und Bernhard, mahnte uns aber erneut zur Keuschheit. Und so wurde beschlossen, die Feuer neu aufzuteilen. Von nun an sollten Frauen und Kinder separat von den Männern sitzen und auch essen und schlafen. Selbst Verheiratete und Verwandte wurden davon nicht ausgenommen.
Der Vorschlag stammte von Lukas und wurde von Nicolaus freudig, von allen anderen eher verhalten aufgenommen. Vor meiner Unterhaltung mit Diego hätte ich mir nichts dabei gedacht, doch nun fragte ich mich, ob es ihm dabei wirklich nur um Keuschheit ging.
Ich fand mich mit Konrad, Cornelius, Lena, zwei Mädchen namens Demuth und Else und Erik, dem Sohn eines Fischers aus Worms, an einem Feuer wieder. Hugo durfte nicht bei mir bleiben, er war bereits zu alt. Er saß zuerst mit Peters Söhnen und Gottfried am Feuer, wechselte jedoch zu Nicolaus, nachdem er ihm seinen selbstgeschnitzten
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