Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Schäferstab geschenkt hatte. Der Engel hatte es so bestimmt, um ihn für seine Gabe zu belohnen. Konrad war anfangs neidisch, freundete sich jedoch schnell mit Erik an und sprach kaum noch mit seinem Bruder.
Ich versuchte immer wieder, die beiden zusammenzubringen, aber Hugo zog es vor, an der Spitze des Kreuzzugs zu marschieren, hinter Nicolaus und Lukas. Er folgte ihnen wie ein Welpe, doch mir kam es so vor, als behandelten sie ihn wie einen Diener. Ich sagte nichts, denn es schien Hugo nicht zu stören.
Auch Diego fand ein Feuer. Zu meiner Überraschung waren es die Soldaten, die ihn aufnahmen. Manchmal, wenn ich nachts wach lag und dem Fluss lauschte, hörte ich ihn reden und lachen.
Die Reise wurde eintöniger, je weiter südlich wir kamen. Um N icolaus vor den Häschern des Teufels zu schützen, machten wir einen Bogen um die großen Städte und Burgen.
Nur wenige von uns durften ab und zu mit Lukas eine Stadt aufsuchen, um Vorräte einzukaufen, zu betteln und Menschen, die sich uns anschließen wollten, zum Lager zu begleiten. Einige Male nahm Lukas sogar mich mit, aber wir sprachen nicht miteinander.
Ich hatte gedacht, dass mich Nicolaus rasch vergessen würde, nachdem ich sein Feuer verlassen hatte, doch das war nicht der Fall. Jeden Morgen nach dem Frühstück bat er mich zu sich, berichtete von seinen Entscheidungen und holte meinen Rat ein. Es ging zumeist um unwichtige Dinge, um Kreuzfahrer, die um neue Kleidung baten, oder um die Frage, ob wir die heilige Messe feiern sollten, wenn aus der Ferne Kirchenglocken die Gläubigen zu sich riefen.
Eines Morgens sagte er jedoch: »Ich habe gestern mit dem Spanier gesprochen.« Aus einem Grund, der mir nicht klar war, nannte Nicolaus Diego fast nie beim Namen. »Er möchte, dass wir dem Rhein nicht länger folgen, sondern uns nach Osten wenden, um dann die Alpen am Brennerpass zu überqueren.«
»Und du möchtest das nicht?«
Nicolaus neigte den Kopf. »Es geht nicht darum, was ich möchte. Der Engel hat mir in seiner ersten Vision befohlen, dem Rhein zu folgen und dann die Alpen zu überqueren. Er sagte nichts davon, den Fluss vorab zu verlassen.«
Er erhob sich und begann langsam auf und ab zu gehen. Den Schäferstab, den Hugo ihm geschenkt hatte, drehte er dabei zwischen den Händen. Seine Arme waren so dünn, dass ich erschrak.
»Warum«, fragte Nicolaus, »hat Gott mir den Spanier geschickt? Ist er der Helfer, der mich auf den rechten Pfad führen, oder die Versuchung, die mich vom rechten Pfad abbringen soll?«
»Hast du den Engel gefragt?«
»Wohl schon ein Dutzend Mal, aber er schweigt dazu. Es ist meine Entscheidung, meine Prüfung.« Nicolaus setzte sich ans Feuer und legte den Stab neben sich.
Aus den Augenwinkeln sah ich Lukas. Er stand an dem Karren, in dem wir die Wertsachen aufbewahrten, und tat so, als würde er etwas suchen. Doch sein Blick glitt immer wieder zu Nicolaus und mir herüber.
»Was würde passieren, wenn wir Diegos Rat befolgten?«, fragte ich.
Nicolaus hob die Schultern. »Wir würden sicherlich einen ganzen Monat länger brauchen, das gibt der Spanier selbst zu. Allerdings ist der Brenner vielbereist und gilt als sicher. Die Frage ist nur, ob die vielen Reisenden und Pilger die Dörfer und Städte nicht schon leergekauft haben, wenn wir dort eintreffen. Auch dieses Problem gesteht der Spanier ein.«
»Trotzdem rät er dir zu diesem Pass?« Ein seltsames Gefühl breitete sich in mir aus. »Warum? Was erwartet uns, wenn wir dem Rhein weiter bis zu den Alpen folgen?«
»Der Pass entlang eines Berges namens Gotthard. Der Spanier hat ihn selbst nicht bereist, aber er hat gehört, dass er unwegsam und gefährlich ist. Doch der Weg wäre auch kürzer, und wir müssten uns weniger Sorgen um unsere Vorräte machen.« Er sah mich an. »Lukas hält den Gotthard für den richtigen Weg, aber ich bin mir nicht sicher. Du bist mein Gewissen, Madlen, was rätst du mir?«
»Folge dem Rat des Spaniers«, sagte ich, ohne zu zögern. »Er hat als Einziger von uns bereits die Alpen überquert und weiß, wovon er redet.«
»Wenn seine Worte der Wahrheit entsprechen und uns der Teufel nicht durch ihn versuchen will.« Nicolaus wandte den Kopf und starrte ins Feuer. Die Unterhaltung war beendet.
Ich stand auf und wollte zurück zu meinem Feuer gehen, aber Lukas trat mir auf halbem Weg entgegen. »Was wollte er von dir?«
Diesmal schluckte ich die Worte, die ich sagen wollte, nicht hinunter. »Das Gleiche wie von dir.«
»Und was
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