Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
hast du geantwortet?«
»Das Gegenteil von dem, was du geantwortet hast.«
Lukas verzog das Gesicht, sagte jedoch nichts mehr.
Kurze Zeit später brachen wir auf. Im Laufe des Tages sprach sich herum, vor welcher Entscheidung wir standen. Niemand wusste, worin sich die beiden Pässe unterschieden, trotzdem wollte jeder mitreden.
»Wir müssen den Gotthardpass nehmen«, hörte ich gegen Mittag Gottfried sagen. »Er trägt den Namen des Herrn in sich, während Brenner mir zu sehr nach Hölle klingt.«
Ich fragte mich allmählich, weshalb ich ihn je ernst genommen hatte.
Als wir abends auf einem Hügel lagerten, um den Mücken im sumpfigen Tal zu entgehen, rief Nicolaus uns alle zusammen. Er verkündete, er habe nach einem Tag des Fastens und Betens seine Entscheidung getroffen.
»Wir werden den Gotthardpass nehmen«, sagte er.
Die meisten wirkten erleichtert. Nur Diego hockte sich sichtlich verärgert ans Feuer und warf einen großen Ast in die Flammen. Er schüttelte den Kopf. Funken stoben auf und verglühten in der Nacht.
Am nächsten Morgen ging es weiter durch eine flache, feuchte Landschaft. Sie war voller Sümpfe und von winzigen Seiten armen des Rheins durchzogen. Wir rissen Zweige von den Bäumen und versuchten, mit ihnen die Mücken zu vertreiben, die sich in großen schwarzen Wolken auf uns stürzten. Die Luft roch faulig. Aus Angst vor Krankheiten banden wir uns Stofftücher vor Mund und Nase.
Die schweren Karren kamen in den Sümpfen nur langsam voran. Einige Male mussten wir umdrehen, wenn ein Weg zu morastig wurde oder in hohem Schilf endete. Unsere Stimmung sank im gleichen Maße, in dem die Mückenstiche zunahmen.
Die Erwachsenen redeten kaum noch miteinander, es wurde nicht mehr gesungen. Nur den Kindern schienen die Sümpfe nichts auszumachen. Sie verbrachten die Tage damit, Frösche zu fangen oder nach Vogeleiern zu suchen.
Menschen gab es nur wenige in diesem stinkenden, verpesteten Land. Ihre Dörfer lagen auf Hügeln abseits der Sümpfe und waren so arm, dass selbst die Lehnsherren aussahen wie Tagelöhner. Trotzdem begrüßte man uns stets mit großer Freundlichkeit.
Irgendwann fanden die Seitenarme wieder zum Rhein zurück, das Land wurde hügeliger und trockener, die Straßen breiter. Ein Händler, der sich aus Angst vor Wegelagerern dem Kreuzzug einige Tage anschloss, erklärte, wir würden uns einer Stadt namens Straßburg nähern. Sie war auch sein Ziel.
Er verließ uns, als wir noch einen Tagesmarsch von der Stadt entfernt waren, allerdings nicht, ohne uns zu versprechen, den anderen Händlern von unserer Ankunft zu berichten, damit sie ihr Warenangebot aufstocken konnten.
Wir lagerten in einem Wald zwischen zwei Hügeln. Am Vortag hatte es zu regnen begonnen, und es sah nicht so aus, als würde es bald aufhören. Das dichte Blätterdach schützte uns, nur Feuer ließen sich mit dem feuchten Holz nicht anzünden. Also hockten wir in unsere Umhänge gehüllt und an Baumstämme gelehnt in der Dunkelheit und hingen unseren Gedanken nach.
Als ich am Morgen erwachte, regnete es immer noch. Ich stand auf, wrang meinen vollgesogenen Wollumhang aus und legte ihn mir wieder über die Schultern. Dann verließ ich den Wald und warf einen Blick die Hügel hinauf.
Die Wolken waren grau und hingen so tief, dass sie die Kuppen der Hügel verbargen. Nebel stieg über einem Fluss auf, den der Händler Ill genannt hatte. Der Rhein lag hinter uns.
Es war noch früh, aber Kinder spielten bereits am Ufer der Ill, und Konrad und Erik angelten dort. Cornelius stand in ihrer Nähe und sagte ab und zu etwas. Sie beachteten ihn nicht. Der Junge tat mir leid. So viel Zeit war vergangen, seit er in Köln zu uns gestoßen war, aber er hatte noch keinen einzigen Freund gefunden.
»Cornelius!«, rief ich.
Er drehte sich um und kam eifrig auf mich zu wie ein junger Hund, der auf einen Knochen hofft. »Ja, Madlen?«
»Würdest du mir einen Gefallen tun und dich anstellen, damit wir etwas Dörrfleisch bekommen? Noch ist wenig an den Karren los.«
Er runzelte die Stirn. »Im Haus meines Vaters mussten sich immer die Frauen um das Essen kümmern.«
Mir fiel auf einmal wieder ein, weshalb er keine Freunde fand. »Hier ist es anders«, sagte ich. »Das weißt du. Aber wenn du das Dörrfleisch für unser Feuer bekommst, finde ich bestimmt auch noch ein paar Kirschen für dich.«
Lena und ich hatten am Vortag einige Bäume entdeckt und abgeerntet, bevor ein anderer darauf aufmerksam hatte werden können.
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