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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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war der Neffe von unserem Zunftmeister. Es hätte sich nichts geändert, wenn wir zu ihm gegangen wären.«
    Die Verbitterung in seiner Stimme tat mir weh. »Und dann?«
    »Es wurde immer schlimmer. Walter lauerte Hugo auf, schlug ihn, stahl sein Essen und warf einmal sogar seinen Hammer in den Rhein. Ich glaube, dass Meister Paul wusste, was vorging, aber er musste Hugo trotzdem bestrafen, schon wegen der anderen Lehrlinge.« Konrad zog die Nase hoch. »Und dann kam der Tag, an dem Hugo sein Gesellenstück präsentieren sollte, einen Esstisch für das Haus eines Kaufmanns. Die halbe Zunft kam, um ihn sich anzusehen, aber als Hugo sie in die Werkstatt führte, stand da nur ein klappriger alter Tisch mit drei Beinen und Astlöchern in der Platte. Alle lachten, sogar Hugo, bis er Walter bat, seinen Tisch zurückzugeben, und der behauptete, er habe nichts verändert.«
    Konrads Blick war auf einen weit entfernten Punkt gerichtet. Mit den Fingern strich er über sein Hemd, ließ sie an einer Naht entlanggleiten.
    »Hugo hatte so hart für sein Gesellenstück gearbeitet. Er wollte zu einem anderen Schreiner wechseln, weg von Walter und Meister Paul. Aber nun stand ihm ein weiteres Jahr bevor.« Konrad zögerte. »Weißt du, wie das ist, wenn man ein Hemd anzieht, das einem zu klein ist, und es immer zwickt und spannt und das schlimmer wird mit jedem Tag, bis es auf einmal reißt und man sich befreit fühlt, bis man versteht, dass es jetzt kaputt ist?«
    Ich nickte, obwohl ich nicht verstand, was er damit sagen wollte.
    »So war das in Hugos Kopf. Er zog auf einmal seinen Hammer aus dem Gürtel und stürzte sich auf Walter. Vier Männer versuchten Hugo von ihm wegzuziehen, aber er schlug immer weiter auf ihn ein. Als es ihnen schließlich gelang, hatte er Walter den Kiefer gebrochen und bestimmt ein Dutzend Zähne ausgeschlagen. Alles war voller Blut, und es war so schrecklich laut. Walter schrie, Hugo brüllte und tobte, die anderen riefen durcheinander. Menschen kamen in die Werkstatt gerannt. Ich bekam Angst und lief davon.«
    Er schluckte. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Wange. Sie war feucht. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen.
    »Als ich abends zurückkam, saß Hugo bereits im Kerker. Ein paar Tage später stand er vor dem Zunftgericht. Man stellte ihn an den Pranger und gab ihm zwanzig Stockschläge. Dann warf man ihn aus der Zunft. Von da an sahen wir uns nur noch sonntags zur Kirche. Hugo half auf dem Markt aus, wenn es Arbeit gab, ansonsten zweigte ich etwas von meinem Essen ab und brachte es ihm heimlich. Er schlief in Hauseingängen und Schuppen.«
    »Warum kam er nicht zurück nach Winetre? Er hätte eine Anstellung auf der Burg bekommen können.«
    »Nach allem, was du und Vater für uns getan hattet? Das konnte er nicht.« Konrad schüttelte den Kopf. »Lieber lebte er wie eine Ratte auf der Straße. Was er dort erlebt hat, was er gesehen hat … Er ist nicht mehr der Hugo, den du kanntest.«
    Seine Worte schmerzten, aber ich wusste, dass er recht hatte. Den Jungen, den ich Meister Paul zusammen mit zwei Schweinen und einigen Schafen überlassen hatte, würde ich nie wiedersehen.
    »Was ist mit dir?«, fragte ich, um den Gedanken abzuschütteln. »Bist du in der Werkstatt geblieben?«
    »Ja. Ich hatte Angst, als Walter zurückkam, aber er hatte mich immer gemocht, und daran änderte sich nichts. Als ich besser wurde als er, tat ich so, als wäre ich schlechter.« Er lächelte. »Aber hinter seinem Rücken nannte ich ihn Fischmaul, weil er seit der Tracht Prügel den Mund nicht mehr richtig schließen konnte. Irgendwann nannten ihn alle so, sogar Meister Paul.« Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Du wirst doch Hugo nicht sagen, dass ich dir das alles erzählt habe, oder? Er will nicht, dass du davon erfährst.«
    Ich nahm Konrad in den Arm, drückte ihn fest an mich. Er wehrte sich nicht. Tränen liefen über meine Wangen in sein Haar. »Natürlich nicht«, sagte ich leise. »Das bleibt unser Geheimnis.«
    Ich spürte, wie er die Arme um mich legte. Eine Weile blieben wir so stehen. Langsam zog der Kreuzzug an uns vorbei. Einige Menschen musterten uns neugierig, aber ich beachtete sie nicht.
    Irgendwann hob Konrad den Kopf. »Kriege ich jetzt mein Schwert wieder?«
    Lachend wischte ich mir die Tränen aus den Augen. »Du hast es dir verdient.«
    Er nahm mir den Ast aus der Hand, wandte sich ab und lief am Kreuzzug entlang, vermutlich, um Erik zu

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