Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
ganzes Geld steckt in diesen Waren. Wovon soll ich meine Familie ernähren, wenn ihr sie mir nehmt?«
»Von dem, was Gott dir gibt, so wie wir!«, schrie jemand.
Jubel brach aus.
Neben mir stellte sich Lena auf die Zehenspitzen. »Sieh dir nur die ganzen Kisten an.« Aufregung ließ ihre Stimme kippen. »Was ist da wohl alles drin?«
»Gott hat ihm gegeben, was er hat.« Diego klang müde, so als wüsste er, dass die Entscheidung bereits gefallen war. »Es steht uns nicht zu, es ihm zu nehmen.«
Lukas hob die Hand. »Gott«, rief er, »hat dafür gesorgt, dass sich unsere Wege kreuzen. Wenn die Waren nicht für uns bestimmt wären, hätte er ihn auf einen anderen Pfad geschickt!«
»Wir gehen immer hier lang«, murmelte eine der Wachen, aber niemand hörte hin.
Lukas legte Hugo die Hand auf die Schulter. »Hilf den Knechten beim Beladen der Karren. Und achte darauf, dass sie sich nichts einstecken.«
»Ja, Lukas.« Mit sichtlichem Stolz drückte Hugo den Rücken durch. Am liebsten hätte ich ihn zu mir befohlen, aber damit hätte ich ihn gedemütigt. Er sah zu Lukas auf wie zu einem Vater.
Die Wachen warfen einander kurz Blicke zu, doch keiner der Männer wagte es, auch nur die Hand auf den Schwertknauf zu l egen. Ich dachte an die Soldaten in Straßburg und fragte mich für einen kurzen Moment, was geschehen wäre, wenn wir ihnen alle mit Knüppeln in den Händen entgegengetreten wären.
Der Händler fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht, dann ließ er die Arme sinken. »Nehmt, was ihr wollt.« Tränen liefen ihm über die Wangen. »Ich werde euch nicht aufhalten.«
»Wie auch?«, fragte einer der Jungen neben Lukas.
Der Händler drehte den Kopf, doch er sah nicht den Jungen an, sondern Diego. »Aber dich …« Die Tränen legten sich auf seine Stimme. Er räusperte sich. »Dich verfluche ich. Hättest du mich nicht gebeten zu warten, wäre ich schon längst weit weg.«
Diego erwiderte seinen Blick. »Es tut mir …«, begann er, aber Lukas unterbrach ihn lachend.
»Gottes Wege sind wirklich verschlungen, wenn sogar einer wie du auf ihnen wandeln kann.«
Einer wie du … Das Gleiche hatte Hugo gesagt. Ich wusste nicht, worum es ging, aber es schien Diego zu treffen, denn er stand einen Moment nur stumm da, bevor er sich abwandte, nach den Zügeln seines Pferdes griff und aufsaß.
»Ich werde nach einem geeigneten Ort für unser Nachtlager suchen.«
Lukas wischte seine Worte mit einer Geste zur Seite. Ich sah Diego nach, bis er zwischen einigen Bäumen verschwand.
Die Knechte beluden die Karren mit den Waren, die sie kurz zuvor erst neben der Straße ausgebreitet hatten. Hugo stand neben ihnen, die Daumen in den Gürtel gehakt, und gab Anweisungen, als wäre er ihr Herr. Mir gefiel nicht, wie er sich aufspielte.
Als die Karren beladen und die Waren mit Stricken gesichert waren, kniete einer der Knechte nieder und bat darum, mit uns ziehen zu dürfen. Der Händler spuckte vor ihm aus und fluchte, aber Lukas gewährte ihm seinen Wunsch. Mit großer Ernsthaftigkeit nahm er dem Knecht, einem Jungen namens Rudolf, sein Kreuzfahrergelübde ab.
Ich sah zu Nicolaus, der sonst immer darauf bestand, mit den Neuankömmlingen zu beten. Er bewegte sich nicht, schien in einer Welt versunken zu sein, zu der nur er Zugang hatte. Ich fragte mich, ob er mit dem Engel sprach.
Wir ließen den Händler mit seinen Wachen und dem letzten Knecht zurück. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass er immer noch am Boden kniete und die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. Die Wachen hielten die Köpfe gesenkt und vermieden es, ihn anzusehen.
Anstatt der Straße weiter zu folgen, bog Lukas an der Kreuzung nach rechts ab. Niemand beschwerte sich oder fragte, warum er das tat. Die Stimmung war gut. Menschen redeten und scherzten miteinander, Kinder versuchten, einen Blick auf die Waren des Händlers zu erhaschen. Eine neue Leichtigkeit lag in unseren Schritten. Was auch immer uns bedrückt hatte, war verschwunden.
Ich wollte zu Lukas aufschließen, um ihn zu fragen, weshalb wir die Straße verlassen hatten, aber Konrad hielt mich auf. Er und Erik hielten Äste in den Händen, die sie wie Schwerter führten. Cornelius lief hinter ihnen her. Sie beachteten ihn nicht.
»Meinst du, der Händler hatte Gold dabei?«, fragte Konrad.
»Oder Smaragde?« Erik sprach das Wort aus, als wisse er nicht, was es bedeutete.
»Vielleicht«, sagte ich. »Wir werden sehen.«
Konrad hörte kaum zu. »Hast du die Wachen gesehen?« Er
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