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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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oft deinen Rat, dass du dich nicht mehr mit deinen alten Freunden abgeben kannst?«
    Ich hörte den Neid in seiner Stimme, beachtete ihn jedoch nicht. »Was weißt du über Juden?«, fragte ich stattdessen.
    Gottfried runzelte die Stirn. »Warum interessieren dich die Mörder unseres Heilands?«
    Ich hatte mir die Antwort längst zurechtgelegt. »Weil sie im Heiligen Land leben und ich wissen will, wer sie sind, bevor wir ihnen begegnen.«
    Gottfried nickte. Sein verkrüppelter Arm bewegte sich im Rhythmus seines Körpers wie ein verdorrter Ast im Wind. »Dann war es vernünftig, zu mir zu kommen.« Er richtete den Blick in den wolkenlosen Himmel. »Aus meiner Zeit im Kloster weiß ich, dass die Juden ein verfluchtes Volk sind. Sie …«
    Mit wachsendem Unbehagen lauschte ich seinen Worten. Gottfried erzählte, wie die Juden unseren Herrn gequält und verhöhnt hatten, wie sie sich bis zu diesem Tag an ihre rückständige Religion klammerten und den wahren Heiland leugneten. Die meisten waren aus dem Heiligen Land vertrieben worden und mussten durch die Welt ziehen, ohne je eine Heimat zu finden. Die Zurückgebliebenen beugten den Rücken vor ihren sarazenischen Herren, »denn«, sagte Gottfried, »die Juden sind feige und faul. Man kann ihnen nicht trauen, denkt nur an unseren Heiland.«
    Ich bekreuzigte mich. Die vier jungen Männer, die ihm bislang stumm zugehört hatten, taten es mir gleich.
    »Bedeutet das, dass alle Juden zur Hölle fahren?«, fragte einer.
    Gottfried nickte. »So ist es. Sie haben unseren Herrn sehenden Auges abgelehnt, deshalb werden sie bis in die Ewigkeit brennen. Im tiefsten Inneren wissen sie das, deshalb wollen sie uns Christen nur Böses. Jeder weiß, dass sie Kinder stehlen, um sie als Juden aufzuziehen, und dass sie Christen mit Wucherzinsen in den Ruin treiben. Sie hassen uns, weil wir in den Himmel kommen und sie nicht. Passt also auf, wenn ihr einem begegnet.«
    Mein Kopf fühlte sich heiß an, fast so, als hätte ich Fieber. »Weißt du das alles sicher?« Meine Stimme klang kleinlaut und dünn.
    »Natürlich«, sagte Gottfried. »Die Mönche haben oft darüber gesprochen.«
    Einer der jungen Männer nickte. »Er hat recht. Auf unserem Hof war einmal ein Jude. Keine drei Tage später ist mein kleiner Bruder verschwunden. Er wollte am Teich vor dem Dorf angeln gehen, und niemand hat ihn je wieder gesehen.«
    »So etwas kann passieren, wenn man nicht aufpasst.« Gottfried sah mich an. »Konnte ich deine Frage beantworten?«
    »Ja, das konntest du.«
    Die Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu. Sie sprachen über das Heilige Land und die Wunder, die sie dort sehen würden. Ich hörte nicht mehr zu. Meine Gedanken beschäftigten sich mit all dem, was Diego gesagt und getan hatte. Nichts davon wirkte jüdisch. Ich begann zu hoffen, dass sich Hugo geirrt hatte. Kein Mensch, auch kein Jude, konnte sich so gut verstellen. Ich hasste die Stimme in meinem Kopf, die diesem Gedanken ein »Oder?« hinzufügte.
    Am frühen Nachmittag erreichten wir das Kloster. Es lag auf einem Hügel inmitten von Weinbergen und gelben Weizenfeldern. In einiger Entfernung sah ich die Dächer einiger Hütten zwischen Brombeerhecken und Obstbäumen.
    Wir folgten einem breiten Weg den Hügel hinauf. Das Kloster ragte über uns empor, ein dunkles Steingebäude, umgeben von hohen Mauern. Das Kreuz auf der Spitze des höchsten Turms warf einen Schatten über den Weg. Es erschien mir falsch, darauf zu treten, also bat ich Gott bei jedem Schritt um Verzeihung. Auch die Menschen um mich herum murmelten leise und bekreuzigten sich, als sie den Schatten erreichten.
    Der Weg endete in einem großen Tor. Es war geöffnet, ich konnte die Mönche dahinter sehen. Sie arbeiteten in einem großen Kräutergarten, ihre Rücken waren gekrümmt, die Arme ausgestreckt. Sie jäteten Unkraut. Einer erhob sich, strich sich mit dem Ärmel seiner Kutte über die Tonsur. Dann sah er in unsere Richtung. Einen Moment blieb er reglos stehen. Ein anderer Mönch streckte sich ebenfalls.
    Lukas winkte und rief: »Gott zum Gruße, Brüder!«
    Der zweite Mönch drehte sich um und lief davon. Der andere, der uns zuerst bemerkt hatte, blieb stehen und schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte. Ich hörte eine Stimme rufen, konnte aber die Worte nicht verstehen. Der Mönch, der stehen geblieben war, ging rasch mit einigen anderen zum Tor, und vor unseren Augen schlossen sie es.
    »Was ist denn jetzt los?«, fragte Ott irgendwo hinter mir.

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