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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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kniete neben dem Toten nieder. Die Novizen, die ihm gefolgt waren, legten die Schaufeln beiseite und begannen zu beten.
    »Wenn er jetzt im Himmel ist«, sagte Konrad leise zu mir, »dann ist es ja gar nicht schlimm, was Hugo gemacht hat, oder?«
    Ich wusste nicht, was ich auf die Frage antworten sollte. »Hugo hat getan, was der Engel wollte.«
    Ich sah Konrad an, dass er damit unzufrieden war, aber er fragte nicht weiter nach.
    Nicolaus kniete ebenfalls neben dem toten Abt nieder. Die Mönche sahen kurz auf, dann setzten sie ihr Gebet fort.
    Durch das große Tor betraten Konrad und ich das Kloster. Es war fast so groß wie Burg Drachenfels. Das steinerne Haupthaus war von Kräuter- und Gemüsegärten umgeben. Links lagen Stallungen, rechts der Küchentrakt. Die Mauern, zu deren Wehrgängen Leitern führten, waren unbesetzt. Hühner liefen umher. Irgendwo hörte ich ein Schwein grunzen. Ich sah weder Knechte noch Mägde. Novizen erledigten wohl die niederen Arbeiten.
    »Sind noch andere Mönche im Haupthaus?« Es war Diegos Stimme. Ich drehte den Kopf. Er stand vor einem der Mönche, einem älteren, zahnlosen Mann.
    »Nein, alle haben sich hier versammelt.«
    »Das ist aber ein sehr großes Haus für so wenige Menschen.« Diego klang misstrauisch.
    Der alte Mann nickte. »Fast der ganze Orden ist auf Pilgerreise nach Rom. Vater Augustinus wollte sie eigentlich anführen, aber seine Gicht ließ es nicht zu. Er war deswegen sehr verärgert.« Er sah zum Tor. Draußen trugen Nicolaus, Lukas und mehrere Mönche den Toten vorbei. »Nicht, dass das noch eine Rolle spielt«, fügte der alte Mann hinzu. Ich hatte den Eindruck, dass ihn der Tod des Abts nicht sehr betrübte.
    Diego entgegnete etwas auf Latein. Der Mönch blinzelte überrascht, dann lächelte er. »So ist es.«
    Immer mehr Menschen kamen durch das Tor. Die beiden Gruppen, Mönche und Kreuzfahrer, standen sich gegenüber, musterten einander, aber kaum einer sagte etwas. Es war eine seltsame Situation. Wir waren keine Gäste, die Mönche keine Gastgeber. Wir hatten sie gezwungen, die Tore zu öffnen, behandelten sie aber nicht wie Besiegte, und sie behandelten uns nicht wie Eroberer. Es gab keine Regeln für eine solche Begegnung. Niemand wusste, welches Verhalten angemessen war.
    Vielleicht waren deshalb alle, sogar die Mönche, so erleichtert, als Lukas im offenen Tor auftauchte. »Wir sind fertig«, rief er. »Ihr könnt dem Abt die letzte Ehre erweisen.«
    »Wollen wir uns nicht lieber das Haus ansehen?«, fragte Konrad, als wir uns den anderen anschlossen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Erst wenn es uns jemand erlaubt.«
    »Und wer?«
    »Nicolaus, Lukas, einer der Mönche …« Ich brach ab, als mir klar wurde, dass ich es vorzog, den Anweisungen derer zu folgen, die wir besiegt hatten, als eine eigene Entscheidung zu treffen. War das immer schon so gewesen? War mir das nur nie aufgefallen?
    »Wir werden uns das Haus später ansehen«, sagte ich. »Nur du und ich, wenn du willst.«
    »Und Erik?«
    »Wenn du möchtest.« Es versetzte mir einen Stich, dass er nicht an seinen Bruder dachte. »Und natürlich Hugo.«
    Konrad nickte und schwieg.
    Der Abt war bereits begraben, als wir den kleinen Friedhof hinter dem Kloster erreichten. Aufgeworfene frische Erde kennzeichnete das Grab. Nicolaus und der alte Mönch, mit dem Diego gesprochen hatte – der Stellvertreter des Abts, hörte ich jemanden sagen –, sprachen ein Gebet, der eine auf Deutsch, der andere auf Latein, dann sangen wir alle gemeinsam ein Lied.
    Unsere Stimmen hallten über den Hügel ins Tal hinab. Ein Schwarm Krähen stieg auf und flog über das kleine Dorf hinter den Feldern hinweg. Menschen standen dort, wahrscheinlich Dorfbewohner, die sich fragten, was im Kloster geschah.
    Als wir das Lied zu Ende gesungen hatten, bekreuzigten wir uns, dann gingen wir zurück zum Tor. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lukas Diego am Arm berührte. »Ich möchte, dass du ins Dorf reitest und die Bewohner zu dem Fest einlädst.«
    »Was für ein Fest?«
    »Das, was hier gleich stattfinden wird. Nicolaus muss sich ausruhen. Er sagt zwar nichts, aber die lange Suche nach dem Engel hat ihn erschöpft. Ein Tag Rast wird ihm guttun, ebenso wie den Kranken.«
    »Hat er den Engel denn gefunden?«, fragte Diego.
    »Das hat er, gepriesen sei der Herr.« Lukas lächelte. »Und der Engel hatte viele gute Ratschläge für uns. Nicolaus wird sie bestimmt bald allen erzählen.«
    Sein Blick ruhte einen Moment zu lang auf

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