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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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einer Schnalle versehenes Buch erregte meine Aufmerksamkeit. »Was ist das?«
    Diego hob den Kopf und lachte. »Eine Bibel.«
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und zog mit beiden Händen daran. Diego half mir. Er stand so dicht neben mir, dass ich die Gewürze des Weins in seinem Atem roch, Nelke und Honig. Ich wich nicht aus.
    Diego schob einige Papiere zur Seite und legte das Buch auf den Tisch. Das Leder war abgegriffen und dunkel, das Gold abgeblättert.
    »Er hat wohl oft darin gelesen.« Diego öffnete die Schnalle, schob eine Hand zwischen die Seiten und schlug das Buch auf. Etwas rutschte heraus, das Bild einer Frau.
    Ich nahm es hoch, betrachtete es im Kerzenlicht. Die Frau stand vor einem Brunnen und wusch sich. Ich sah ihre Brüste, den Bauchnabel, die kleine Rundung zwischen den Schenkeln, an der sie sich berührte. Sie war nackt.
    Ich hatte so etwas noch nie gesehen.
    Diego räusperte sich. Er nahm mir das Bild aus der Hand und schob es wieder zwischen die Seiten. Dann klappte er das Buch zu. »Auch Äbte sind Menschen«, sagte er.
    Ich begriff erst nach einem Moment, was er damit meinte. Meine Wangen wurden heiß. Stille breitete sich im Raum aus. Eine der heruntergebrannten Kerzen flackerte und verlosch. Mir wurde auf einmal klar, dass Diego und ich allein waren. Die anderen waren unten. Ich hörte ihre Schritte und das dumpfe Gelächter. Sie schienen unendlich weit entfernt.
    »Vielleicht sollten wir …«, begann ich.
    »Ja.« Die Antwort kam schnell. Diego drehte sich zur Tür, wobei seine Hand unabsichtlich die meine berührte.
    Ich griff nach der seinen und hielt sie fest. Er blieb stehen, zögerte, dann wandte er sich mir zu.
    Ich sah in seine dunklen Augen und beugte mich vor. Wir küssten uns.
    Ich schmeckte Wein. Bartstoppeln kitzelten meine Mundwinkel. Seine Arme schlossen sich um mich, unsere Körper wurden gegeneinander gedrückt. Ich versank in seinem Geruch, wollte ihn in mich aufnehmen, zu einem Teil meiner selbst machen.
    Wir mussten den Raum verlassen haben, denn plötzlich spürte ich das Bett in meinen Kniekehlen und ließ mich fallen. Diego landete halb auf, halb neben mir. Er schob meinen Rock nach oben, während ich nach seiner Gürtelschnalle tastete. Seine Küsse glitten über meinen Hals, seine Hände berührten mich, dass ich mich unter ihm aufbäumte.
    Und dann, ungewollt und unerwünscht, kamen die Gedanken an das, was er war, was sein Volk getan hatte, was mit ihm geschehen würde. Trauer mischte sich in meine Leidenschaft.
    Ich presste ihn an mich. »Ich will nicht, dass du in der Hölle brennst.«
    Diego erstarrte. »Was soll …«, begann er, sprach den Satz aber nicht zu Ende. Er setzte sich auf. Die Wärme verschwand von meinem Körper. Trotz der Decken wurde mir kalt.
    »Du weißt es also«, sagte er.
    Langsam zog ich den Rock über meine Knie. »Ja.«
    Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. »Wer noch?«
    »Hugo, Lukas, Nicolaus, vielleicht ein paar andere.« Ich setzte mich ebenfalls auf.
    »Verdammt.« Diego schlug mit der flachen Hand in eines der Kissen. Er drehte mir den Rücken zu. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. »Du hättest es mir sagen sollen.« Er stand auf und schloss die Schnalle seines Gürtels.
    Diego hatte recht. Es war feige gewesen, den Moment hinauszuzögern.
    »Das stimmt«, sagte ich. »Es tut mir leid.«
    »Ja.« Er drehte sich um. Es überraschte mich, ihn lächeln zu sehen. »Dann muss ich wohl abwarten, was der Engel von mir hält.«
    Er betrachtete sich kurz im Spiegel.
    Das Poltern aus dem unteren Stockwerk hatte sich auf die Treppe verlagert. Die anderen kamen näher. Ich wollte noch so viel zu Diego sagen, noch länger mit ihm zusammen sein, doch der Zeitpunkt war vorbei.
    Er öffnete die Tür. »Warte ein wenig, bevor du das Zimmer verlässt. Wir wollen keinen Verdacht erregen.«
    Allein blieb ich im Gemach des Abts zurück. Ich dachte an die beiden Kinder, die nackt aus dem Kreuzzug gejagt worden waren. Wenn jemand hereingekommen wäre, während wir … Ich führte den Gedanken nicht zu Ende, sondern stand rasch auf und zog die Decken glatt.
    Vor dem Spiegel blieb ich stehen. Es war das erste Mal, dass ich mich in einem betrachten konnte. Ich war dünn und sah müde aus. Meine Wangen waren gerötet, die Haare hingen mir schweißnass in die Stirn. Ich strich sie zurück, dann sah ich meinen Rock. Mir war nicht klar gewesen, wie schmutzig er war. Welche Farbe er einst gehabt hatte, war unter dem Dreck und bei all den

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