Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
vielen Flicken nicht mehr zu erkennen.
Ich wandte mich beinahe angewidert ab, ging in den Nebenraum und blies die Kerzen aus. Die Bibel, in deren Seiten das unanständige Bild steckte, lag noch auf dem Tisch, und das Bild ragte über die Ränder der Seiten. Ich zog es heraus, betrachtete die Frau darauf, ging zurück zum Spiegel und hielt es neben mein Gesicht. Die nackte Frau war so viel schöner als ich, so viel reiner. Alles an ihr war ebenmäßig und hell, ihre Haut, ihr Haar, sogar ihre Augen. So wie sie stellte ich mir eine Frau vor, die Diego begehrte, nicht wie mich.
Im Gang rülpste jemand laut. Ich hörte schwere Schritte, dann wurde die Tür aufgerissen.
Hastig faltete ich das Bild zusammen und steckte es in meinen Gürtel. Eine ganze Gruppe Kreuzfahrer stürmte herein, Männer und Frauen. Ich kannte keinen von ihnen.
»Ein Bett!«, schrie der Erste. Er nahm Anlauf und warf sich hinein. Die Pfosten knarrten.
Ein anderer, um dessen Hals ein Weinschlauch hing, sah mich an. »Hast du es schon ausprobiert, Schwester?«
Ich gab mich schüchtern und senkte den Kopf. »Nein.«
»Dann lass uns mal.« Er packte eine der Frauen, die kreischend lachte, an den Hüften und schob sie zum Bett. Andere öffneten die Truhen und Schränke. Sie mussten irgendwo Kleidung gefunden haben, denn einer trug eine Pelzmütze, sein Begleiter ein viel zu kleines Lederwams.
Ich drückte mich an ihnen vorbei durch die Tür. Der Gang füllte sich mit Menschen. Einige legten sich in den Mönchszellen ins Stroh, andere setzten sich an die Wände, aßen Fleisch und tranken Wein. Ein Stockwerk tiefer begann jemand auf einer Flöte zu spielen. Rhythmisches Klatschen begleitete ihn. Gesang, der nicht zur Melodie des Flötenspielers passte, drang aus dem Hof zu mir empor. Überall wurde gelacht.
Ich stieg über einen Betrunkenen, der auf der Wendeltreppe einschlief, und ging nach unten. Auf dem Weg nach draußen sah ich keinen einzigen Mönch, nur Kreuzfahrer. Fast jeder bot mir Wein an, ein oder zwei auch Dinge, bei denen ich mich beschämt abwandte. Ich sah Menschen, die Gemälde von den Wänden rissen, und andere, die sie davon abhalten wollten. In einer Ecke hockte ein Mann und schiss auf den Teppich. Eine ältere Frau feuerte ihn an. Allen lief Schweiß über das Gesicht. Es war heiß und stickig im Haupthaus.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis ich endlich wieder im Hof stand und die kalte, klare Nachtluft einatmete. An den Tischen saßen noch einige Menschen, redeten und lachten. Ein paar schliefen auf oder unter den Bänken. Ich entdeckte Hugo und Konrad zwischen den Schlafenden; Hugo lag ausgestreckt auf einer Bank und schnarchte, Konrad hatte sich unter einem Tisch zusammengerollt und hielt noch ein Stück Brot in der Hand. Erik lag neben ihm, Cornelius ein Stück entfernt. Auch sie schliefen.
Ich suchte nach Diego, sah ihn jedoch nirgends. Was ich ihm gesagt hätte, wäre er da gewesen, wusste ich nicht. Irgendetwas, um ihm die Sorge zu nehmen. Irgendetwas, um ihn an das zu erinnern, was vor meinen dummen, überflüssigen Worten zwischen uns gewesen war.
Die Trunkenheit wich langsam von mir und ließ nur Müdigkeit zurück. Ich wollte nicht allein sein, also legte ich mich neben Konrad und schloss die Augen.
Ein Schrei weckte mich. Jemand rüttelte mich an der Schulter.
»Mama! Mama!« Konrads Stimme. »Es brennt!«
Ich stützte mich auf die Ellenbogen. Mein Mund war trocken, Kopfschmerzen hämmerten hinter meiner Stirn. Meine Lider waren so schwer, dass ich sie kaum öffnen konnte. Mit den Handballen rieb ich mir die Augen.
Einen Moment lang glaubte ich, wieder in Winetre in unserer Hütte zu sein. Ich wollte nach Heinrich rufen, nach meiner Mutter, doch dann kehrte die Klarheit in meine Gedanken zurück. Ich richtete mich auf, stieß mir den Kopf am Tisch und kroch darunter hervor.
Der Himmel über mir war schwarz, aber über dem Hof lag ein merkwürdiges rotes Licht. Menschen liefen umher, schwarze Schatten vor den orange-gelben Flammen, die aus den Fenstern des Klosters schlugen. Eine Frau rannte schreiend aus der Tür. Sie zog einen Umhang aus Feuer hinter sich her. Brennend brach sie auf dem Hof zusammen. Zwei Männer, Diego und Lukas, liefen auf sie zu, aber die Hitze des Feuers trieb sie zurück. Die Frau schlug um sich, dann lag sie still.
Pferde wieherten ängstlich in den Ställen, während das Feuer fauchte und brüllte wie eine höllische Kreatur. Funken stoben empor, Flammen krochen über das Dach,
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