Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Kreislauf aus Geständnis, Reue und Vergebung lauschten, stieg er auf sein Pferd, suchte nach Plätzen für unser Nachtlager oder nach einem Marktflecken, dessen Kaufleute bereit waren, uns etwas zu verkaufen.
Seit wir Basel und den Rhein hinter uns gelassen hatten, wurde es immer schwieriger, Waren zu bekommen. Orte wie Liestal und Olten schlossen die Stadttore, wenn sie uns sahen. In Zofingen stellten sich die Einwohner auf die Wehrgänge ihrer Mauern und schrien uns an. Es war erniedrigend und unheimlich, an ihnen vorbeizuziehen.
»Die können froh sein, dass wir ehrbare Christen sind«, sagte Ott, als wir am Tor vorbeigingen, »sonst würde ich ihnen ihr Scheißkaff unter dem Hintern anzünden.«
Mir wurde klar, dass er recht hatte. Die Menschen, die sich hinter niedrigen Mauern und Gräben verbargen, hatten uns nichts entgegenzusetzen. Fast zehntausend waren wir, das sagte Lukas zumindest immer. Wir hätten den Ort überrennen können, wäre das unsere Absicht gewesen. Die Bewohner waren unserer Gnade ausgeliefert, so wie wir der Gnade des Himmels. Nach dieser Erkenntnis störten mich ihre Schreie und Beschimpfungen nicht mehr so sehr. Wir waren ihnen überlegen; sie waren nur zu dumm, das zu erkennen.
Die Händler fanden trotzdem zu uns, auch wenn die Stadttore geschlossen blieben. Meistens tauchten sie in der Nacht auf, mit ein oder zwei Karren, die sie vorbei an bestochenen Wachen heimlich aus der Stadt gebracht hatten.
»Ihr werdet hier nirgendwo freundlich empfangen werden«, sagte einer von ihnen, als Lukas ihn nach den geschlossenen Stadttoren fragte. »Das ganze Land ist fest in Pfaffenhand. Die Bischöfe von Konstanz, Basel und Sitten haben verlauten lassen, dass euer Kreuzzug nicht rechtens ist, weil sie Angst haben, dass ihnen die Novizen weglaufen. Und da mein Herr, der Graf von Frohburg, ein rückgratloser Weichling ist, beugt er sich dem Willen der Pfaffen, anstatt uns in Ruhe unseren Geschäften nachgehen zu lassen.«
Ich hatte noch nie jemanden so respektlos über Adel und Kirche reden hören. »Und der Papst?«, fragte ich. »Was sagt er dazu?«
»Der kümmert sich um solche Dinge nicht. Ich war schon oft in Rom, doch dort wird nur über Politik geredet. Sizilien hin oder her, Otto oder Friedrich … Gottes Namen aber hört man selten. Heilige Stadt? Von wegen.«
Wir kauften ihm alles ab, was er uns gebracht hatte. Er versprach, am nächsten Abend wiederzukommen. Wir warteten, aber er tauchte nicht auf. Eine Gruppe Pilger, die sich uns nach einer Rast in Zofingen aus Angst vor Wegelagerern anschlossen, berichteten von einem Händler, den man erschlagen im Graben gefunden hatte. Wir beteten für ihn, bevor wir weiterzogen.
Ich suchte nach Diego, hoffte, dass er mir erklären konnte, was der Händler gemeint hatte. Der kümmert sich um solche Dinge nicht, hatte er gesagt, aber wie war es möglich, dass der Papst sich mehr für Politik interessierte als für die Befreiung Jerusalems? War das nicht die wichtigste Aufgabe der Christenheit?
Aber ich fand Diego nicht. Er musste unterwegs sein wie so oft seit der Nacht im Kloster. Er schien nicht nur mir aus dem Weg gehen zu wollen, sondern dem gesamten Kreuzzug. Meistens ritt er bereits frühmorgens los und kehrte erst in der Nacht zurück. Einige Male hatte ich auf ihn gewartet, doch er war immer nach nur kurzem Gruß zum Feuer der Soldaten gegangen, so als wären wir Fremde. Ich wusste nicht, ob es ihn beschämte, dass er eine Frau begehrt hatte, die so weit unter ihm stand, oder ob er unsere Sünde so sehr bereute, dass er mir nicht mehr in die Augen sehen konnte. Beides hätte ich verstanden.
Die Pilger verließen uns in Luzern, wo bereits eine größere Gruppe auf sie wartete. Wir umgingen die Stadt, wichen auf Wege aus, die uns mitten in das hügelige, stark bewaldete Land führten. Es gab kaum noch Dörfer, nur einsam gelegene kleine Höfe, die Bauern dem Wald abgerungen hatten. An einem machten wir halt, aber die Hütte war verlassen, die Weide leer. Ich sah, dass der Boden aufgewühlt war. Hufabdrücke hatten sich tief in den Sand gegraben.
»Wegelagerer«, sagte Gottfried. Er war neben mir stehen geblieben und sah sich um, als erwarte er, bewaffnete Räuber aus dem Wald stürmen zu sehen. »Die Bauern sind bestimmt nicht weit gekommen.«
Er hatte recht. Wir fanden zwei Männer hinter der Hütte. Sie hingen an Stricken von einem Ast. Beide waren nackt. Zu ihren Füßen lag eine Frau. Ihre Brüste waren blutverschmiert. Tote Augen
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