Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Entscheidungen der russischen Regierung, zuletzt in Sachen Pussy Riot. Er hat die Aktion der jungen Frauen gewiss nicht gebilligt, vermutlich fand er sie unangebracht, aber die über zogen harte Strafe diente eindeutig dazu, die Opposition einzuschüchtern; der eigentliche Skandal dabei ist indes, dass Kritik an Putin der Gotteslästerung gleichgestellt wird.
Natürlich sind die Zustände im heutigen Russland nicht mit denen in der UdSSR zu Zeiten Breschnews oder Andropows gleichzusetzen. Die großen Massenmedien hat die Regierung (mit wenigen Ausnahmen) unter Kontrolle, ansonsten kann man sagen und drucken lassen, was man will. Boris Strugatzki hat aber wiederholt darauf hingewiesen, dass man für die Meinungsfreiheit kämpfen muss, solange man sie noch hat; danach ist es zu spät. Dass die Verhältnisse in Russland – mutatis mutandis – allmählich wieder an die sowjetischen erinnern, nicht zuletzt wegen der weit verbreiteten Empfindung, dass abermals eine bleierne Starre auf dem Land lastet, erklärt, warum so viele Russen, darunter auch ganz junge Leute, bei der verbliebenen Hälfte der Gebrüder Strugatzki moralische Orientierung suchten.
Nicht nur Präsident Obama hat den 2012 verstorbenen Ray Bradbury gewürdigt, auch Präsident Putin hat sich ein offizielles Telegramm an die Hinterbliebenen Boris Strugatzkis abgerungen. Der bekannte russische Satiriker Viktor Schenderowitsch hat dazu die kurze Glosse »Eine literarische Figur beim Begräbnis des Autors« veröffentlicht, in der er schildert, wie »unser Adler Don Reba mit seinem ganzen mittelalterlichen Apparat« grübelt, wie er auf den Tod des Mannes reagieren soll, der ihn seinerzeit so treffend gezeichnet hatte. Dass Don Reba der Geheimdienstchef und Hauptschurke aus »Es ist schwer, ein Gott zu sein« ist, konnte Schenderowitsch bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen. Wladimir Putin schrieb in seiner Botschaft, dass »die Bücher der Brüder Strugatzki auch heute noch höchst aktuell« sind. Wo er recht hat, hat er recht.
Erik Simon ist Schriftsteller und Mitherausgeber der bei Heyne erschienenen Werkausgabe der Brüder Strugatzki.
1 Eine Rolle spielte dabei eine Wette mit Arkadis Frau: Um 1954 soll sie die beiden, die oft den betrüblichen Zustand der sowjetischen Science Fiction beklagt hatten, herausgefordert haben, es doch besser zu machen. Es gibt in der Science Fiction merkwürdig viele Autoren, die angeblich wegen einer Wette zu schreiben begannen; vielleicht ist es eine gängige Ausrede für die Verfasser eines wenig angesehenen Genres, so wie ein im Bordell angetroffener Gentleman sagen mag, er sei nur wegen einer Wette dort.
2 Einige Jahre später wurde diese Logik aufs Anschaulichste vorgeführt: Zu den Verwaltungs-Kapiteln von »Die Schnecke am Hang« erschien ein wütender Verriss, in dem ein gewisser W. Alexandrow den Strugatzkis klipp und klar eine böswillige Satire auf sowjetische Zustände vorwarf. Der Literaturkritiker A. Lebedew verteidigte daraufhin in einem Artikel die Strugatzkis und gab dem Genossen Alexandrow zu bedenken, wenn er schon so deutliche Parallelen zwischen der grotesken Bürokratie bei den Strugatzkis und der sowjetischen Wirklichkeit sehe, so möge er doch seine Vorstellung von dieser Realität nicht derart öffentlich kundtun.
3 Nicht etwa mit einem Kopiergerät – derlei hatte niemand und durfte man gar nicht haben –, sondern mit der Schreibmaschine und so viel Durchschlägen, wie eben noch leserlich waren. Mit gutem Kohle- und sehr dünnem Durchschlagpapier schaffte man etwa acht Exemplare, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. In der UdSSR nannte man das »Samisdat«, Selbstverlag. Sogar von manchen ganz regulär publizierten Strugatzki-Werken kursierten solche Abschriften, weil die Auflage von mehr als hunderttausend Exemplaren den Bedarf nicht annähernd deckte.
4 Arkadi hat teils allein, teil zusammen mit Boris Romane von John Wyndham, Andre Norton und Hal Clement übersetzt, dazu Erzählungen anderer Autoren. Schon vorher war Arkadi als Übersetzer japanischer Literatur hervorgetreten.
5 Viele von diesen Clubs wurden dann auf Weisung des KP-Chefs Andropow, die über dessen Tod 1982 hinauswirkte, geschlossen. Bei einer dieser Gelegenheiten erklärte ein Funktionär den verdutzten Clubmitgliedern, die Werke der Strugatzkis seien »zwar kommunistisch, aber antisowjetisch«. Etliche Clubs überlebten, weil die örtlichen Gewalten klüger oder fauler waren. Die Perestroika brachte wenig später
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