Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
ergänzt.
Obwohl die Strugatzki-Ausgabe bei Heyne auf sechs, wenn auch außerordentlich voluminöse Bände ausgelegt ist, kann sie unmöglich das Gesamtwerk der beiden russischen Science-Fiction-Schriftsteller enthalten und nur eine Auswahl bringen. Deswegen will Golkonda-Verleger Hannes Riffel nach und nach die dort nicht berücksichtigten Texte in ähnlich editorisch betreuten Neuausgaben herausbringen – und was liegt da näher, als mit jenem Buch zu beginnen, nach dem er seinen Verlag benannt hat?
Der Roman mit dem Originaltitel »Das Land der Purpurwolken« erschien erstmals 1959, und natürlich merkt man dem Text seine Entstehungszeit an. Das beginnt bei der beiläufig erwähnten sowjetisch-chinesischen Zusammenarbeit (erst 1960 kam es zum offenen Bruch und 1969 zum Mini-Krieg zwischen der Sowjetunion und China am Ussuri) und hört noch lange nicht auf bei der Unbekümmertheit, mit der die Protagonisten des Romans mit nuklearbetriebener Ausrüstung herumhantieren. Die Strugatzkis wussten damals auch noch nicht, dass die Venus in Wirklichkeit keine erdähnliche Welt mit ein paar seltsamen Eigenheiten, sondern ein wahrer Glutofen ist, auf dessen Oberfläche selbst Metalle wie Blei, Zink und Zinn nur in flüssiger Form vorkommen können, und dass dort Drücke herrschen wie in über 900 Meter Meerestiefe; ganz zu schweigen davon, dass ein Tag auf der Venus ganze acht Erdmonate dauert und nicht bloß 57 Stunden. All das haben Raumsonden erst später herausgefunden, beginnend mit Mariner 5 im Jahre 1967.
Aber die Protagonisten des Romans sind erstaunlich frisch geblieben, und wenn auch heute die Staffage des Buches gelegentlich ein wenig antiquiert und auch amüsant erscheint, so sind die menschlichen Geschichten rund um die tragisch verlaufende Expedition auf die Venus doch immer noch bewegend. Natürlich darf man von dem Debütroman der Brüder Strugatzki keine raffinierten Handlungsbögen erwarten.
Zunächst wird die Auswahl der Mannschaft geschildert, was angesichts der Tatsache, dass bereits mehrere Expeditionen zur Venus gescheitert sind, mit besonderer Sorgfalt erfolgen soll; dem Leser werden hier die späteren Protagonisten ausführlich vorgestellt. Aus heutiger Sicht ist der bürokratische Apparat beeindruckend, der dabei ständig im Hintergrund steht; in späteren Werken sollten die Gebrüder dieses Thema noch ausführlicher und sarkastischer behandeln. Ziel der Expedition ist es, die industrielle Ausbeutung des Atomvulkans Golkonda vorzubereiten – dabei handelt es sich um eine Art permanenten, atomaren Vulkanausbruch. Man will dort die Nebenprodukte des Vulkans abbauen und für allerlei gute Werke verwenden.
Dann und teilweise parallel wird die Technik des neuartigen Raumschiffs Chius geschildert – immerhin ein Photonenraumschiff, das in etwa die Form einer Schildkröte hat und damit ein für 1959 ausgesprochen originelles Design aufweist. Es folgt der Flug zur Venus, natürlich zeittypisch mit gefährlichen Zwischenfällen auf dem Weg, und die Landung der Chius . Das Raumschiff klatscht mehr oder weniger zufällig in einen Sumpf voller Urzeitviecher und -gewächse. Danach folgen (im verbliebenen letzten Drittel des Romans) die üblichen aufreibenden Abenteuer auf einem fremden Planeten, und die Verfasser scheuen sich nicht, ihre Personnage recht drastisch zu dezimieren. Am Schluss ist es der ursprünglich als Anfänger und bloßer Chauffeur eingeführte Hauptcharakter Bykow, der nach und nach zum Helden der Chius -Besatzung avanciert ist.
Was den Band für den Strugatzki-Leser unverzichtbar macht (auch wenn er sich längst in irgendeinem Antiquariat eine Ausgabe besorgt hat), ist seine editorische Ausstattung. Er enthält nicht nur den für die erste deutsche Ausgabe aus unerfindlichen Gründen gestrichenen (und nie wieder aufgenommenen) Epilog des Buches, sondern auch ein komplettes Kapitel, das die Gebrüder selbst gestrichen haben: »Die Kantine der Raumfahrer«. Außerdem hat Erik Simon den Text mit der 1993 in Russland publizierten, von jeglichen Eingriffen der Zensur befreiten Fassung verglichen – die sich laut Golkonda-Verlag mehr als eine viertel Million Mal verkauft hat – und alles ergänzt, was den bisher verfügbaren deutschen Fassungen infolgedessen fehlte. Hinzu kommt ein Kommentar von Boris Strugatzki und ein Aufsatz von Erik Simon, der die Hintergründe des Romans und seiner Publikationsgeschichte beleuchtet. Beeindruckend dabei die hier dokumentierte Wankelmütigkeit und
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