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Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Titel: Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Erzählungen« hinweist.
    Womit er natürlich ein gutes Werk tut. Er lässt sich auch griffige Formulierungen einfallen, wenn er etwa Tiptree die »weibliche Antwort auf Ernest Hemingway« nennt (worüber man streiten könnte) oder ihren Texten »ungewöhnliche Sensibilität, hohe Intelligenz und einen herrlich trockenen, mitunter fast zynischen Humor« nachsagt (was zweifelsfrei vollkommen zutreffend ist).
    Für den zweiten Band der Edition »Zu einem Preis« hat er auch gleich einen Textschnipsel geliefert – diese vermeintlich verkaufsfördernden Kürzest-Aussagen, die man heute »Blurb« nennt. Und selten war ein Blurb so wenig irreführend wie dieser hier über Alice Sheldon/James Tiptree jr.: »Niemand verlässt ihre Erzählungen, ohne auf subtile Weise einen anderen Blick auf das Fremde entwickelt zu haben.« Das trifft einen ganz wesentlichen Aspekt ihres Werkes; dass es nur einer von vielen Aspekten ist, zeigt ein Blick in »Zu einem Preis«. Der Band enthält einen Anhang, »Nur die Unterschrift ist nicht echt«, in dem die Autorin über ihre Pseudonyme plaudert, die nicht nur Tarnung waren, sondern wohl auch so etwas wie zusätzliche Persönlichkeiten. Für alle, die Tiptree für den Feminismus requirieren wollen, findet sich darin der bemerkenswerte Satz: »Ich kann nichts dafür, was sich nach Meinung der Leute männlich oder weiblich anhört.« Der zweite zuvor noch nie auf deutsch erschienene Text ist die Titelgeschichte »Zu einem Preis« selbst, die wohl aus guten Gründen bisher noch nicht übersetzt wurde, denn sie ist die bei weitem schwächste des Bandes. In eine Ausgabe der »Sämtlichen Erzählungen« gehört sie natürlich hinein, und dass sie gegenüber den anderen Texten so abfällt, liegt einfach daran, dass sich dort ein Höhepunkt an den anderen reiht.

    Dazu zählt vor allem die bereits erwähnte Erzählung »Mit zarten irren Händen«, die eher ein Kurzroman ist und den Leser durch eine sich mehrfach radikal wandelnde Handlung trägt. Die Heldin dieser Geschichte – so hässlich, dass »mann« sie nur vergewaltigt, wenn »mann« ihr vorher einen Lappen aufs Gesicht legt – begeht nicht nur einen Mord, bei dem ihr sämtliche Sympathien des Lesers sicher sind, sondern entdeckt auch eine äußerst skurrile außerirdische Lebensform in einer für sie selbst tödlichen Umgebung. Und die Liebe. Denn das, was sie all die Jahre nicht enden wollender Demütigungen und Beleidigungen hindurch am Leben erhalten hat, findet sie am Ende dort, wo sie nicht leben kann, und stirbt, während sie die Worte »Liebe und Sauerstoff« in einen Stein meißelt.
    Allein dieser Text beantwortet im Übrigen schon die Frage, ob es sich für Leser, die die alten Tiptree-Ausgaben besitzen, lohnen mag, die Neuausgaben zu erwerben. Mal ganz abgesehen davon, dass die schicken nachtblauen Hardcover sehr, sehr viel besser aussehen als die alten grellbunten Taschenbücher, deren billiges Papier sich bereits jetzt selbst aufzufressen beginnt – die neuen Übersetzungen sind besser, genauer und geschmeidiger lesbar als die alten. Einer der ersten Sätze von »Mit zarten irren Händen« lautet beispielsweise in der alten Version: »Sie war ein süßes kleines Mädchen, rothaarig und sommersprossig, aber ihr Gesicht wurde von einer gewaltigen, fleischigen und dicken Nase entstellt.« So einen Satz hätte jeder Lektor sofort mit dickem Rotstift angestrichen: Wie kann sie »süß« sein, wenn sie so ein Ding im Gesicht hat? Der erste Teilsatz widerspricht dem zweiten; »fleischig« ist zudem eine Doppelung zu »dick«, »gewaltig« sagt auch nichts anderes aus, eine Doppel-Doppelung sozusagen. Die drei Adjektive sind zueinander redundant. Sowas würde jedem Autor völlig zu Recht zur Neuformulierung zurückgereicht, und dass es jemals gedruckt wurde, ist vermutlich den damals jämmerlichen Übersetzerhonoraren zuzuschreiben und den oft nicht vorhandenen oder hoffnungslos überlasteten Lektoraten – es ging ja »nur« um Science Fiction und »nur« um Taschenbücher. Die neue Übersetzung von Michael Preissl hingegen kommt dem Leser so: »Sie war ein zierlich gebautes junges Mädchen der rothaarigen, grünäugigen und sommersprossigen Art, doch ihr Gesicht wurde von einer markanten, fleischigen Mopsnase verunstaltet.« Da wird die Beschreibung logisch aufgebaut – erst kommt die Figur, dann ihre hervorstechendsten Eigenschaften, und erst dann kommt der entscheidende und für den Rest der Geschichte so wichtige Makel, ohne

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