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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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ließ Patrick sich nicht zweimal sagen und legte los. Christin, die inzwischen Platz genommen hatte, nickte ab und zu, sagte aber nichts, sondern ließ ihn reden.
    »Dann war dieser Studer also tatsächlich der Schlachter …« Hubert schüttelte den Kopf, nahm die Arme herunter und rollte mit seinem Stuhl wieder an den Schreibtisch heran. »Und er hat das alles ganz allein vollbracht?«
    »Sie haben gesagt, alle Beweise sprächen dafür.«
    »Wahnsinn. War bestimmt spannend für dich.«
    Patrick bejahte und setzte sich endlich. Es war tatsächlich »spannend« gewesen, allerdings nicht in dem Sinne, wie Hubert es meinte. Im Nebenraum ratterte das Faxgerät.
    »Morgen kommt wieder ein großer Artikel?« Der Kollege wandte sich jetzt Christin zu, die kurz hochsah, militärisch nickte und dabei ihr »Ich bin furchtbar beschäftigt«-Gesicht« aufgesetzt hatte.
    »Na fein. Tom wird entzückt sein. Wo ist er eigentlich?«
    »Außer Haus. Er kommt aber nachher noch einmal zurück, um alles zu lesen, was morgen rausgeht.« Christin schien genug von der Konversation mit Hubert zu haben. Manchmal war sie ein richtiger Besen.
    Als Patrick gerade beschlossen hatte, sich ebenfalls seiner To-do-Liste zuzuwenden, klappte die Eingangstür auf, und Jo erschien. Seine Wangen waren von der Kälte gerötet, die blauen Augen leuchteten.
    »Das hier lag unten im Treppenhaus.« Er hielt einen braunen DIN -A4-Umschlag hoch. »Muss jemandem runtergefallen sein. Die Post ist doch längst durch, oder?«
    »Klar.« Hubert, der froh über jede Ablenkung zu sein schien, nahm die Finger von den Tasten und betrachtete den Briefumschlag in Jos Hand. »War der vorhin noch nicht da, als du hochgegangen bist, Christin?« Er suchte ihren Blick, sie jedoch sah nur kurz auf und schüttelte den Kopf. »Seltsam, nach dir und Patrick ist doch niemand mehr gekommen, oder?«
    »Was steht denn drauf?«
    » Tagespresse Leipzig.« Jo, der seine Jacke an die Garderobe gehängt hatte, kam näher, den Umschlag in der Linken.
    In Patrick wallte etwas hoch, das er im ersten Moment nicht definieren konnte. Erst nach einigen Sekunden, in denen Jo den Brief auf Huberts Schreibtisch gelegt und sich einen Stuhl vom Nachbartisch herangezogen hatte, wusste er, was es war: Angst.
    »Komisch. Eine Briefmarke ist nicht drauf. Jemand muss ihn unten in den Flur gelegt haben.«
    »Wenn Tagespresse draufsteht, ist der Inhalt für uns. Also mach ihn schon auf.«
    »Ja doch. Wer weiß, was das wieder ist.«
    Patrick konnte kaum glauben, dass Hubert und Jo nach all den Erfahrungen der letzten Wochen dermaßen begriffsstutzig waren, aber die beiden schienen tatsächlich keine Idee zu haben, was in dem Brief stehen könnte. Hubert schob den Brieföffner unter die Lasche und begann, das Papier aufzuschneiden. Patrick vergaß, Luft zu holen. Nur Christin schien sich für nichts außer ihren Artikel zu interessieren. Den Blick auf den Bildschirm gerichtet, ließ sie ihre Finger über die Tasten huschen. Ab und zu kam die Zungenspitze heraus und leckte über die Oberlippe, um gleich darauf wieder zu verschwinden.
    Jetzt spreizte Hubert den Umschlag auseinander, spähte hinein und kommentierte sein Tun mit: »Ein Zettel.« Gleich darauf präzisierte er sich. »Ein einzelnes gefaltetes Blatt.«
    »Mach es nicht so spannend, Mann!« Jo schien allmählich auch aufgeregt zu sein. »Was ist es?«
    Das, was in den nächsten Sekunden ablief, konnte Patrick später immer wieder wie einen Film vor seinem inneren Auge abspielen: wie Huberts Wurstfinger nach dem Papier grabschten, wie er den Zettel herauszog und auseinanderfaltete, wie er mit offenem Mund und Schafsgesicht darauf starrte, wie Jo aufstand, ihm über die Schulter sah und »Das kann nur ein schlechter Scherz sein …« murmelte. Erst jetzt wurde auch Christin auf das Geschehen aufmerksam und sah zu ihnen herüber. Und erst jetzt löste sich auch Patricks Erstarrung, und er konnte sich erheben und zu Hubert gehen.
    Als stünde das Papier in Flammen, warf Hubert es mit einem angeekelten Ausruf auf den Schreibtisch, wo das Blatt mit einem letzten Zittern zum Liegen kam. Patrick konnte nicht alles genau erkennen, weil der Zettel halb abgeknickt war, aber die schwarzen Großbuchstaben waren trotzdem gut lesbar: » ES IST NOCH NICHT VORBEI !«

38
    Der Fahrer des Kleintransporters bremste erst kurz vor der roten Ampel. Martin Band war jung und liebte es, schnell unterwegs zu sein. Hinter ihm hupte es. Im Rückspiegel sah er, dass am Steuer

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