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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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dafür etwas Hintergrundinfo. Was war er für ein Vorgesetzter? Großzügig? Oder eher unangenehm?«
Ihre Augen verklärten sich, als sie anfing meine Frage zu beantworten.
»Er war ein wunderbarer Chef. Er hat nie irgendetwas verlangt, was nicht in Ordnung war. Ich meine, bei der Arbeit. Ich meine, nur beruflich. Nur beruflich.«
Sie wirkte auf einmal unsicher und ich fragte mich, ob sie vielleicht mehr für ihn empfunden hatte, als nur seine treue Sekretärin zu sein. Ich nickte ihr aufmunternd zu und nahm einen weiteren Schluck von meinem Getränk.
Sie fuhr fort: »Er war nicht viel da in letzter Zeit, er musste so viel verreisen, aber wenn er da war, dann war er freundlich und offen. Da kam nie ein gemeines oder hartes Wort. Er war immer pünktlich und zuverlässig, das haben alle an ihm geschätzt. Ich habe seit zwei Jahren für ihn gearbeitet, ich war schon seine Sekretärin, als er noch Junior Manager war. Er hat mich nach oben mitgenommen.«
Stolz schwang in ihrer Stimme mit und das Bedauern, dass diese glorreichen Zeiten jetzt für immer vorbei waren. Sie war wirklich noch sehr jung, fast zu jung, um als Sekretärin eines Senior Chefs zu arbeiten, und ich fragte mich, ob da nicht doch etwas zwischen ihr und Andreas Werner gelaufen war.
»Was genau hat Ihr Chef denn gemacht hier in der Bank? Er war für Europäische Verbindungen tätig?«
»Ja, das stimmt. Die Bank hat Verbindungen und Kontakte in ganz Europa, eigentlich in der ganzen Welt, aber der europäische Markt ist der wichtigste für uns. Mit dem Euro wurde in Europa alles vereinheitlicht und damit der Markt extrem geöffnet. Für den normalen Kundenverkehr ist unsere Bank zwar nur in Deutschland offen, aber wir haben einen Sitz in jeder europäischen Hauptstadt. Dort werden Kredite bewilligt und Firmen aufgekauft, wenn sie die Kredite nicht zurückzahlen können. Dafür war er zuständig. Deshalb war er so viel unterwegs, es gab da sehr viel zu tun.«
»Gab es irgendwelche Beschwerden über ihn?«
»Was meinen Sie? Wegen Belästigung oder so? Nein, er war ein Ehrenmann durch und durch.«
»Nein, ich meine, aus höheren Ebenen. Waren alle mit seiner Arbeit zufrieden, ist kein Geld verschwunden oder etwas Ähnliches?«
»Nein! Da war nie etwas in dieser Art. Er war absolut loyal der Bank gegenüber, das weiß ich. Wenn ein Konto nicht stimmte, dann hat er stundenlang geforscht, bis er den fehlenden Posten fand. Wir haben manchmal lange gesessen und versucht, einen Fehler zu finden.«
Ihre Stimme verlor sich in der Erinnerung und sie sah gedankenversunken zum Fenster hinaus.
Ich gab ihr ein paar Sekunden, dann stellte ich meine nächste Frage.
»Hat er sich engagiert, weil er in seinem Beruf aufging oder weil er gut bezahlt wurde?«
Sie sah mich erstaunt an, dann schüttelte sie den Kopf.
»Er hat das gern gemacht, denke ich. Früher kam er immer mit einem breiten Lächeln ins Büro und hat gelegentlich Witze erzählt. Sie waren nicht besonders gut und auch nicht immer lustig, aber er hat sich totgelacht darüber. Das Geld hat natürlich auch gestimmt, er konnte sich nicht beklagen über sein Gehalt, das weiß ich, ich habe einmal seine Abrechnung gesehen. In seiner Riege werden die Gehälter danach gestaffelt, wie viele Leute unter ihm arbeiten. Er hatte ungefähr dreißig Leute unter sich, da bekommt er zwar dreißig Prozent weniger als der, der hundert Leute unter sich hat, aber glauben Sie mir, das ist immer noch genug. Aber ich denke, er hat die Arbeit nicht wegen des Geldes getan.«
»Was meinen Sie mit ›früher‹?«
»Früher? Oh, ich meine, dass er in letzter Zeit nicht mehr derselbe war. Ich glaube, der Stress hat ihn eingeholt. Da war kein Lachen mehr, nur, wenn ich mal einen Witz gemacht habe, aber das war selten genug. Ich kann keine Witze erzählen.«
Sie lächelte mich entschuldigend an und ich ermutigend zurück. Sie war schon die zweite, die erzählte, dass er in letzter Zeit anders gewesen war.
»Was für ein Stress?«
»Oh, er war eben viel unterwegs, wie ich schon erzählt habe. Und er hat wohl eine Menge Druck bekommen wegen des Deals, der dann zum Glück gut verlaufen ist, so dass wir unsere Prämie bekommen haben.«
Sie strahlte bei der Erinnerung an die Sternstunde ihres Chefs. Und ausgerechnet in dieser Nacht ist er gestorben. Ironie des Schicksals.
»Hat er denn viel getrunken bei dieser Party?«
Sie schüttelte den Kopf und kramte in ihrer Erinnerung.
»Ich weiß nicht so genau. Ich habe viel getrunken. Er ist schon sehr

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