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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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heißersehnter Regenguss im Hochsommer vor.
»Er war ein bisschen ruhiger und lachte nicht mehr so viel mit Franziska. Das ist unsere Tochter. Ich dachte, dass er vielleicht müde ist oder einfach gestresst, es ging ja alles ziemlich schnell in letzter Zeit mit seiner Karriere, aber mehr dachte ich nicht. Sie meinen, dass er vielleicht Probleme in der Bank hatte?«
Als hätte sie plötzlich begriffen, welche Konsequenzen diese Erkenntnis haben könnte, wurde sie auf einmal leichenblass. Sie ging ein paar Schritte zurück, um sich auf eine Sessellehne zu setzen. Ihre Stimme war kaum noch zu hören: »Meinen Sie etwa, dass er sich umgebracht haben könnte?«
Mir wurde plötzlich bewusst, was ich angerichtet hatte. Ich ging zu ihr und legte meine Hand auf ihre Schulter.
»Nein, das will ich nicht sagen, Frau Werner. Ich will damit gar nichts sagen. Ich stelle Ihnen nur dumme Fragen, um einen noch dümmeren Artikel zu schreiben. Es tut mir leid.«
»Er hat uns geliebt. Das würde er niemals tun.«
Sie flüsterte jetzt, ihr Gesicht war leichenblass. Ihre Hand klammerte sich an die Sessellehne, so dass ihre Knöchel ganz weiß wurden.
Ich wollte weg hier.
Sie sah aus, als würde sie gleich völlig die Fassung verlieren, und von oben schallte jetzt die Stimme eines Mädchens.
»Mama?«
Sie sah auf und wischte mit dem Handrücken unter ihren Augen entlang.
»Ich komme, Schatz.«
Ihre Stimme war brüchig und zitterte.
»Ich denke, ich gehe lieber.« Ich nahm meine Hand von ihrer Schulter und wandte mich zur Tür.
Sie nickte und schniefte leise.
»Ich finde allein hinaus», fügte ich schnell hinzu und ging zur Haustür, während sie nach oben schlurfte.
Als ich das Haus verließ kam ich mir wie ein gewissenloser Betrüger vor. Da war eine trauernde Witwe, der ich den letzten Rest Seelenfrieden geraubt hatte.
Ich ging zurück zu meinem Auto. Sobald ich im Wagen saß, stellte ich den CD-Player an und ließ auf volle Lautstärke Musik laufen, in der Hoffnung, dass sie das düstere Gefühl der Katastrophe von mir abwaschen würde. Dann ließ ich den Motor an und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
    Auf dem Rückweg in die Stadt ärgerte ich mich maßlos über mich selbst. Ich hatte mich angestellt, als hätte ich noch nie ein Interview geführt. Dabei war ich in den Zeiten unserer Zeitschrift ein Meister darin gewesen. Ich hatte den Männern ihre tiefsten Geheimnisse entlockt. Und die Frauen erzählten mir bereitwillig alles, was ich wissen wollte, meist sogar noch mehr. Aber diese Menschen waren zufrieden und glücklich, meistens jedenfalls. Und die Gespräche drehten sich um Motorradtreffen oder Tipps für verschiedene, ausgefallene Sportarten – emotionale Themen waren nie darunter gewesen.
Hier hast du richtig versagt, klagte meine innere Stimme mich bitter an. Ich hatte kaum etwas erfahren, stattdessen die Witwe in ein emotionales Chaos gestürzt. Und das alles wegen einer Geschichte, die noch nicht einmal wirklich existierte. Ich fluchte leise.
Okay, dachte ich schließlich, vergessen und weitermachen. Ich konzentrierte mich auf den Verkehr, der heute, einem Freitagmittag sehr dicht wurde. Die Leute strömten nach Hause, ins Wochenende.
Ich überlegte, ob ich jetzt noch in die Bank fahren sollte, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte, oder ob ich es lieber auf Montag verschieben sollte.
Doch als ich in Mitte ankam und auf der Leipziger Straße nach Süden abbiegen wollte, drehte ich schnell um. Es war Quatsch, jetzt nicht die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und noch etwas mehr über den Helden meines künftigen Romans zu erfahren.
     

Verschollen
    Beate Heitmann erwartete mich bereits. Wegen der für einen Freitag späten Stunde hatte ich die Sekretärin von Andreas Werner angerufen und mein Kommen angekündigt.
Dann war ich mit meinem Auto durch die Straßen am Gendarmenmarkt gefahren, immer auf der Suche nach einem Parkplatz. Als ich endlich einen gefunden hatte, ignorierte ich den Parkautomaten und hoffte, dass in der nächsten Zeit niemand vom Ordnungsamt vorbeikommen würde, und ging schnurstracks zu dem hohen Gebäude in der Friedrichstraße. Berliner Staatsbank prangte in grün-roten Lettern über dem Haus. Ich wollte ins Foyer, doch die Tür war bereits verschlossen. Ein Vorhang verhinderte sogar die Sicht auf das Innere. Neben der Haupttür befand sich ein kleiner Raum mit Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern, aber der nützte mir nichts. Gerade, als ich Frau Heitmann noch einmal anrufen wollte, entdeckte

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