Das sechste Opfer (German Edition)
mein Leben und einen Teil meines Gehaltes beim Telefonieren am Steuer dafür, zu erfahren, dass der Chef der Polizeidirektion nicht gern von seinem Sessel aufstand.
»Ja, das ist alles.« Franz klang immer noch aufgeregt. »Können wir uns treffen? Ich will noch ein bisschen meine Fühler ausstrecken. Hast du inzwischen etwas herausgefunden?«
Ich erzählte ihm kurz von meinen beiden heutigen Treffen, wobei er über meinen ersten Versuch kurz lachte, doch als ich von dem zweiten berichtete, wurde er mucksmäuschenstill.
»Ich sag dir, da stimmt was nicht. Eine verschwundene Aktentasche? Das ist auf jeden Fall ein guter Ansatz für deine Geschichte. Ich will ja nicht wie eine kaputte Schallplatte klingen, aber da stimmt was nicht.«
Das Ende der Autobahn nahte. Ich vertröstete Franz auf morgen, verabredete mich mit ihm in unserem Café, dann legte ich auf.
Zu Hause eilte ich an meinen Computer und schrieb meine Beobachtungen und Erkenntnisse auf, bis mir einfiel, dass sich Nicole bestimmt darüber freuen würde, wenn ich das Abendessen vorbereitete. Also ging ich in die Küche und sah im Kühlschrank nach, welches Gericht heute bei uns auf der Speisekarte stehen würde. Ich fand ein leckeres Pesto, das hervorragend zu den Nudeln passen würde, die sich im Schrank langweilten, und die meine Kochkünste auch nicht überfordern würden.
Ich stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd und schaltete ihn an, als ich plötzlich das Trappeln von Füßen im Treppenhaus hörte. Dazwischen ertönte Claras Stimme. Mein Herz begann, eine Spur schneller zu schlagen und ich ging zur Tür, um durch den Spion zu sehen, ob sie es wirklich war.
Sie sah wieder umwerfend aus. Sie hatte einen Ledermantel an, der ihre dunklen Haare wie Samt aussehen ließ, und darunter trug sie einen Rock, der knapp über ihren Knien aufhörte.
Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür, doch als ich gerade »Hallo, wie geht’s« sagen wollte, schluckte ich die Begrüßung und das Lächeln schnell hinunter, denn neben ihr, außerhalb der Sichtweite meines Türspions, stand Nicole und redete auf sie ein.
Schnell richtete ich mein Augenmerk auf meine Frau und ging ihr entgegen. Sie war erstaunt, mich zu sehen, doch ich sagte ihr, dass ich sie erwartet und ihre Stimme gehört hätte.
Sie glaubte mir. Daneben stand Clara und sah mich mit ihren grünen Augen lächelnd an. Ich verwünschte mich dafür, dass ich meine Wohnung verlassen hatte, denn mit Nicole neben mir musste ich mich natürlich viel cooler und gleichgültiger geben, als mir eigentlich zumute war.
Sie redeten noch ein paar Minuten über unfreundliche Verkäuferinnen und wie schön es wäre, eine Putzfrau zu haben, was mir die Gelegenheit gab, meine beiden Frauen etwas genauer zu betrachten. Nicole war ein ganz anderer Typ als Clara. Sie war hellhäutig und blond und vom Körperbau fast hager zu nennen, während Clara dunkler wirkte und viel sportlicher. Nicole redete mit ihrem ganzen Körper, benutzte Hände und Füße, um das auszudrücken, was sie sagen wollte, sie hatte manchmal etwas von einem Vogel, der seinen Kopf aufgeregt hin- und herbewegt, wenn ein Feind nahte, Clara hingegen sprach ruhig lächelnd und mehr mit subtiler Mimik. Nicole wirkte etwas atemlos – wie eine Frau, die von einem Termin zum anderen jagt und sich nur zwei Minuten Zeit für einen Patienten nimmt. Sie hört ihm zwar zu, doch wenn die beiden Minuten vorbei sind, wimmelt sie ihn ab. Auch ich habe manchmal das Gefühl, dass sie mir nur einen bestimmten Umfang an Zeit einräumt, an dem ich ihr sagen kann, was ich will und sie mir zuhört. Danach wird meine Aussage analysiert und verworfen oder akzeptiert. Und danach gehen wir zum nächsten Thema über. Ich habe ihr das einmal gesagt, woraufhin sie mich nur erstaunt ansah und meinte, dass ich mir das nur einbilden würde.
Clara dagegen schien mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein. Wenn sie zuhörte, dann hörte sie zu. Und danach ließ sie sich das Gesagte durch den Kopf gehen. Ich hatte das Gefühl, dass man mit ihr stundenlang über irgendwelchen Schwachsinn fabulieren und fantasieren konnte, ohne dass sie müde wurde oder das Interesse verlor. Und ich glaubte auch, dass man mit ihr stundenlang schweigen konnte, ohne dass es peinlich und unangenehm wurde.
Wenn das jetzt hier so klingt, als wäre ich immer noch bis über beide Ohren in sie verliebt, dann muss ich zugeben, dass das in gewisser Weise stimmte, auch wenn ich ihr den Laufpass gegeben hatte. Ich fand sie
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