Das sechste Opfer (German Edition)
Ich hab das Gefühl, du wirst es mir gleich sagen.«
»Von den Pathologen, der die Autopsien durchgeführt hat, hab ich noch nie was gehört.«
Er lehnte sich mit einem zufriedenen und triumphierenden Gesichtsausdruck zurück, als hätte er gerade herausgefunden, dass die Erde keine Scheibe ist.
»Vielleicht ist es ein neuer.«
»Nein, ist es nicht. Und wenn, dann wären es zwei. Aber ich kenne die Kerle, die diesen Job normalerweise machen, das heißt, ich kenne ihre Berichte. Die beiden, die hierfür verantwortlich waren, sind noch nie bei mir aufgetaucht.«
»Andere Abteilung?«
»Nein.«
»Anderes Revier?«
»Nein.«
»Andere Stadt?«
Er beugte sich wieder nach vorn.
»Nein. Und weißt du, was noch sehr seltsam ist? Einer der Unfälle war in Potsdam, und trotzdem hat unser Staatsanwalt sich darum gekümmert.«
»Naja, Berlin-Brandenburg, sie arbeiten schon miteinander.«
»Aber ein UNFALL in Potsdam! Was soll ein Berliner Staatsanwalt dabei?«
So langsam überzeugte er mich.
»Wie ist der denn ums Leben gekommen? Was war das für ein Unfall?«
Er nahm mit einem Griff eine Akte vom Tisch und gab sie mir. Er schien sie schon auswendig zu kennen.
»Konstantin Ulrich. Ein Bauunternehmer aus Potsdam, hatte eine Menge Kontakte und viele Aufträge. Ist eines Sonntags mit seiner Yacht in die Luft geflogen. Laut Bericht war eine Gasleitung defekt. Nur, dass man mit dieser Yacht niemals in die Luft fliegen kann, wenn eine Leitung undicht ist. Das Gas entweicht ins Freie, das kann sich im Inneren nichts stauen.«
»Vielleicht war´s ein Baufehler.«
Er schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich nicht.«
»Was wurde mit den Resten der Yacht gemacht? Kann man die noch untersuchen?«
»Nein. Und das ist auch merkwürdig. Die Überreste der Yacht wurden auf Wunsch der Familie zerstört. Verbrannt, verschrottet, geschreddert, was weiß ich. Jedenfalls komplett vernichtet. Da ist nichts mehr übrig.«
»Warum ist das merkwürdig? Die Familie will eben nicht mehr daran erinnert werden, dass das Unglück geschah. Kann ich verstehen.«
»Wenn du das verstehst, dann erklär mir doch bitte, warum auch Andreas Werners Wagen sofort verschrottet wurde.«
Das war richtig. Auch Clara hatte sich darüber gewundert, dass das Fahrzeug so schnell vernichtet wurde. Angeblich auf Wunsch der Familie.
»Das sind sensible Familien. Die leiden extrem unter dem Tod ihres Vaters und Ehemanns.«
»Schwachsinn.«
Ich dachte nach. Was er sagte, klang schon alles ziemlich merkwürdig, aber ich fürchtete, dass es eine logische Erklärung für diese Vorkommnisse gab. Es war noch zu früh für Begeisterung.
Trotzdem konnte ich spüren, wie das Adrenalin durch meine Adern rauschte, und wieder spielten sich in meinem Hirn die wildesten Mordszenarien ab. Ich beugte mich nach vorn und betrachtete die anderen Akten. Franz lieferte mir mit jedem Wort einen wunderbaren Hintergrund für meine Geschichte. Was ich noch brauchte, war eine Theorie.
»Was denkst du, ist passiert?«
»Keine Ahnung.«
»Keine Ahnung? Du bombardierst mich hier mit Verdächtigungen und Vermutungen und hast keine Idee, wie das alles zusammenhängen könnte?«
»Nein. Tut mir leid. Ich habe schon ein bisschen hin- und herüberlegt, aber nichts finden können.« Er sah bedauernd in seinen Rechner und lehnte sich zurück.
»Was könnte denn passiert sein? Eine Verschwörung gegen ein paar unbescholtene Bürger?«
»Es könnte auch ein Serienkiller sein, den die Polizei geheim hält, um keine Panik zu verursachen. Es könnte aber auch die Mafia sein, oder so etwas. Ich denke, als erstes müssen wir ein paar Verbindungen zwischen den einzelnen Fällen herstellen.«
Er hatte Recht. Ich stellte mich an, als hätte ich noch nie einen Krimi gesehen oder gelesen.
»Okay. Wer sind die Leute: ein Bauunternehmer aus Potsdam und ein Bank-Manager aus Berlin.«
»Sie kommen aus verschiedenen Stadtteilen: ein Apotheker in Kreuzberg, ein Anwalt in Steglitz, ein Autoverkäufer aus Spandau und ein Buchhalter, der bei einem Fernsehsender in Mitte gearbeitet hat. Der erste Unfall war vor drei Jahren in Mitte. U-Bahnhof Hausvogteiplatz. Der Buchhalter fiel auf die Gleise. Zwei Zeugen bestätigten, dass er gestolpert ist. Dann kam der Apotheker, der beim Klettern im Elbsandsteingebirge verunglückte. Der Dritte war der Bauunternehmer, dann kam der Anwalt, der eines Abends von einem LKW, wahrscheinlich mit polnischem Kennzeichen, überfahren worden ist. Unfall mit Fahrerflucht. Vor ein paar Monaten war es der
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